Antrag nach Mitternacht
hochzuziehen, was umso ärgerlicher war, da derjenige, dem diese Geste galt, üblicherweise im Unrecht war.
Der Abend bestand für sie aber nicht ausschließlich aus Arbeit. So nahm sie sich Zeit, um mit Sir Alan zu reden, dessen angenehme, umgängliche Art beruhigend auf sie wirkte. Auch Sir Lucien war anwesend, ebenso natürlich Lord und Lady Radbourne.
Irene brachte Francesca mit einem Bericht über ihren jüngsten Besuch bei ihrem Bruder und ihrer Schwägerin zum Lachen. „Die bevorstehende Mutterschaft hat Lady Mauras Temperament nicht im Mindesten verbessern können. Ein Glück, dass Mutter bei ihr bleibt, aber nicht ich. Ganz bestimmt würde ich ihr den Hals umdrehen, noch bevor sie ihr Kind geboren hat. Mal ist ihr zu heiß, schließlich wieder zu kalt. Dann braucht sie Kissen im Rücken, im nächsten Moment müssen die wieder weggenommen werden. Und wenn sie aufstehen will, muss ihr jemand aus dem Sessel helfen, weil sie so schrecklich fett geworden ist, dass sie nicht mehr allein hochkommt.“ Irene unterbrach sich und schaute nachdenklich drein. „Vermutlich ist es falsch von mir, dass ich mich darüber lustig mache, doch ich kann nicht anders. Maura behauptet, es liegt daran, dass Humphreys Erbe so ein großer und kräftiger Junge ist, aber meiner Meinung nach liegt das mehr an den üppigen Portionen aus Braten und Kartoffeln, die sie vertilgt. Ganz zu schweigen von den Pralinenschachteln, die ständig neben ihr auf dem Beistelltisch stehen.“
Francesca lachte amüsiert. „Du bist gemein.“
„Ja, das bin ich“, gab Irene ohne jede Spur von Reue zu. „Vermutlich werde ich bald genauso aussehen wie sie.“
Einen Moment lang sah Francesca ihre Freundin ratlos an, dann begriff sie. „Irene! Bist du etwa …? Soll das heißen …?“
„Ja, das soll es heißen“, antwortete sie und lächelte verschwörerisch. „Außer dir und Mutter weiß es noch niemand. Es sind keine drei Monate um, und Mutter sagt, das sei die kritischste Zeit. Gideons Familie soll es erst erfahren, wenn es sicher ist, dass ich das Kind austragen werde. Du kannst dir ja vorstellen, wie Lady Odelia darauf reagieren wird.“
„Um Gottes willen, ja. Oh, Irene!“ Francesca strahlte ihre Freundin an und griff nach ihrer Hand, um sie zu drücken. „Ich freue mich so sehr. Ganz bestimmt schwebt Gideon im siebten Himmel.“
„Ganz so wie ich“, räumte Irene ein wenig verschämt ein. „Du weißt ja, ich habe mich nie für Kinder und Mutterschaft begeistern können. Aber in den letzten Wochen … Ach Francesca, ich habe nie so viel Hoffnung und Glück verspürt, auch wenn mir jeden Morgen stundenlang übel ist. Ich bin kaum noch ich selbst. Ganz selten kommt es vor, dass ich mich mit Gideon streite. Er glaubt wohl, es liegt daran, dass ich mich nicht gut fühle. Und er ist so fürsorglich, dass ich tatsächlich weinen musste, weil mich sein Verhalten so berührt hat. Was ihn natürlich zusätzlich davon überzeugt hat, dass es mir schlecht geht. In Wahrheit bin ich bloß so glücklich, dass ich einfach niemandem widersprechen kann. Bis auf Maura.“
„Oh, ich freue mich ja so für dich“, erklärte Francesca. „Erst Constance und jetzt du – bald wird es hier von Kindern wimmeln.“
„Versprich mir, dass du die Patentante unseres Babys wirst“, sagte Irene. „Ganz sicher hat Constance dich schon für diese Ehre in Anspruch genommen, aber ich bestehe darauf, dass du es auch bei uns wirst.“
Ungewollt stiegen ihr Tränen in die Augen, und sie konnte nur hoffen, dass Irene sie für Freudentränen hielt. Sie freute sich tatsächlich für sie und Gideon, so wie sie sich zuvor für ihren Bruder und dessen Frau gefreut hatte, als Constance ihr schrieb, sie erwarte ein Kind. Aber Francesca wusste, dass diese Freude tief in ihrem Inneren den Schmerz und die Trauer um den Verlust ihres eigenen Kindes wach werden ließ. Es war nicht nur Freude, die sie in Tränen ausbrechen ließ, sondern auch das Wissen, selbst niemals Mutter zu werden.
„Natürlich mache ich das, und ich werde die fürsorglichste Patentante sein, die du dir vorstellen kannst“, versprach sie.
„Da bist du ja!“ Eine vertraute Stimme ertönte seitlich von ihnen, beide Frauen drehten sich um und sahen eine schwarzhaarige Schönheit in einem atemberaubenden pfauenblauen Kleid, die mit einem großen, gut aussehenden Mann an ihrer Seite zu ihnen trat.
„Callie!“, rief Francesca und sprang von dem Stuhl auf, auf dem sie gerade gesessen hatte. Sie eilte
Weitere Kostenlose Bücher