Antrag nach Mitternacht
Sie konnte einer Freundin nicht auf eine solche Art zur Last fallen.
Außer ihr und Francescas Familie gab es niemanden, dem sie sich verbunden genug fühlte, um ihn mit ihrem Anliegen zu behelligen. Da war nur noch …
Ungewollt ging ihr der Name des Dukes durch den Kopf, aber sie verbannte den Gedanken gleich wieder und verschränkte die Arme vor der Brust, als könnte sie ihn auf diese Weise weiter abwehren. Sie konnte sich nicht an den Duke wenden. Es war ihr einfach nicht möglich, auf ihre frühere Beziehung zu bauen oder die Güte dieses Mannes auszunutzen. Sie bedeutete ihm nichts mehr, und sie weigerte sich, ihn moralisch unter Druck zu setzen. Natürlich wäre es für sie eine große Erleichterung, ihm ihr Problem anzuvertrauen, aber gleichzeitig würde es ihr auch viel zu peinlich sein. Außerdem war ihr der Duke nichts schuldig.
Nein, sie musste selbst einen Ausweg aus ihrer Situation finden.
Sie stellte das Frühstückstablett zur Seite, stand auf und öffnete ihr Schmuckkästchen. Sie trennte die Imitate von den Pretiosen, die tatsächlich einen Wert besaßen. Mit einem Seufzer musste sie zur Kenntnis nehmen, dass der echte Schmuck ein jämmerliches Häufchen bildete: die Perlenkette, die ihre Eltern ihr zum achtzehnten Geburtstag geschenkt hatten; die Kamee von Callie; die Saphirohrringe, die ihr anlässlich ihrer Verlobung vom Duke überreicht worden waren; das Saphirarmband, das sie dem Duke im letzten Sommer abspenstig gemacht hatte, nachdem sie aus einer Wette mit ihm als Siegerin hervorgegangen war.
Ihr Ehering und aller Zierrat, den sie von ihrem Mann erhalten hatte, war längst zu Geld gemacht worden, um davon ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die wenigen Wertstücke, die sie jetzt noch besaß, waren ihr einfach zu kostbar gewesen, um sie herzugeben.
Sie war sich nicht sicher, ob sie jetzt in der Lage war, sich von ihnen zu trennen.
Aber blieb ihr eine andere Wahl?
Als Maisie zu ihr kam, um das Tablett abzuholen, sagte Francesca zu ihr: „Ich habe da einige Dinge, die dem Juwelier verkauft werden sollen.“
Maisie sah sie überrascht an. „Tatsächlich? Das war mir nicht klar.“ Sie stand da und dachte offensichtlich an die üblichen Warnzeichen für ein nahendes finanzielles Desaster, von denen derzeit keines zu erkennen war.
„Ich muss so viel veräußern wie nur irgend möglich. Sobald ich angekleidet bin, werde ich mir das Tafelsilber ansehen. Ich glaube, wir werden alles abstoßen müssen.“
„Alles, Mylady?“ Maisie sah sie ungläubig an.
Francesca nickte. „Was glauben Sie, wie viel es einbringen wird? Können wir auch die Kristallgläser loswerden? Und was ist mit den Möbeln? Wie viel Geld werden wir für die Möbel erhalten?“
Ihr Dienstmädchen schüttelte den Kopf. „Aber Mylady, was wollen Sie dann noch benutzen? Sie können nicht all Ihr Tafelsilber und sämtliche Teller weggeben.“
„Das meiste davon schon“, beharrte Francesca. „Ich … ich werde von nun an eben weniger Gäste einladen, ganz einfach. Ich glaube, wir können auch auf viele von den silbernen Kerzenleuchtern verzichten. Den Speicher werde ich ebenfalls auf den Kopf stellen müssen. Und ich sollte mit dem Kutscher reden, damit er den Brougham und die Pferde versilbert.“
„Sie wollen Ihre Kutsche zu Geld machen?“, rief Maisie. „Mylady, was ist geschehen? Sie werden nichts mehr besitzen! Was wollen Sie dann tun?“
„Es geht nicht anders.“ Francesca dachte über die Zukunft nach, die sie erwartete, und mit einem Mal geriet ihre Entschlossenheit ins Wanken. Welchen Sinn hatte es, das Haus zu retten, wenn sie dafür auf alles verzichten musste, was zu ihrem Leben gehörte?
Sie atmete tief durch und erklärte: „Ich werde meinen Buchhalter herbestellen.“
„Sie werden doch nicht etwa die Fonds verkaufen, oder?“, fragte Maisie noch beunruhigter, wenn das überhaupt möglich war.
Francesca schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann nicht völlig mittellos dastehen. Aber ich werde das Haus anbieten müssen.“
Trotz der entsetzten Proteste ihres Dienstmädchens verbrachte Francesca den Rest des Tages mit einer Bestandsaufnahme aller Dinge, die sie besaß. Sie wollte sich eine Übersicht darüber verschaffen, was sie verkaufen konnte. Der Buchhalter, der sich um ihre geschäftlichen Angelegenheiten kümmerte, suchte sie am Nachmittag auf und zog sich mit ihr für fast eine Stunde ins Wohnzimmer zurück, um Punkt für Punkt alles durchzusprechen.
Als er sie wieder verließ,
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