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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sie wären zu so etwas fähig.« Und damit schlug er mit einem Ruck das Tuch endgültig zur Seite.
    Irgendwo hinter ihr schrie eine Frau entsetzt auf, und ein mehrstimmiges, erschrockenes Keuchen erklang. Selbst Bast gelang es nicht vollends, ein erschrockenes Zusammenzucken zu unterdrücken. Sie hatte in ihrem Leben eine Menge gesehen, und manches davon war schlimmer gewesen als das, was man Kate angetan hatte … aber hier in dieser kalten, heruntergekommenen Gasse, umringt von Neugierigen, die aus keinem anderen Grund als dem gekommen waren, sich an dem schrecklichen Bild zu ergötzen und in dem festen Wissen, dass der Mensch, der für all das verantwortlich war, irgendwo ganz in der Nähe war und sie beobachtete, war der Anblick beinahe mehr, als sie ertragen konnte.
    Kate war nicht einfach nur tot. Jemand hatte ihr die Kehle durchgeschnitten, aber das hatte ihm ganz offensichtlich noch nicht gereicht. Sie war regelrecht geschlachtet worden.
    Und ihr Kopf und ihre Schultern lagen in einer Lache ihres eigenen, erst halb eingetrockneten Blutes, aber ein ungleich größerer, nass glitzernder roter See hatte sich unter ihrem Körper gebildet. Ihr Leib war vom Brustbein bis hinab zur Scham – und durch sie hindurch – säuberlich aufgeschlitzt worden, und so präzise und glatt dieser Schnitt auch war, war zumindest sein oberer Rand brutal ausgefranst, weil jemand die Wunde mit roher Gewalt auseinandergezerrt hatte, sodass der Blick ungehindert in Kates Bauchhöhle und auf ihre Gedärme und ihre inneren Organe und Unmengen von Blut und brutal zerfetztem Gewebe und Muskeln fiel. Bast spürte, wie sich bittere Galle unter ihrer Zunge zu sammeln begann, aber sie beging nicht den Fehler, sie herunterzuschlucken, was alles nur viel schlimmer gemacht hätte. Trotzdem begannen ihre Eingeweide immer heftiger zu rebellieren.
    »Haben … Sie das getan?«, fragte sie mit bebender Stimme.
    »Um nachzusehen, was noch da ist?« Abberline schüttelte den Kopf. Er war noch immer sehr blass, aber Bast war jetzt nicht mehr sicher, ob es tatsächlich nur an seiner Müdigkeit lag. Aber ihr entging auch nicht, wie aufmerksam er sie trotz allem im Auge behielt. »Das war nicht notwendig, fürchte ich. Er hat ihre … inneren Organe entnommen. Wenigstens einige. Welche und wie viele genau, wird uns morgen der Arzt sagen, aber das ist eindeutig seine Handschrift.« Er seufzte matt, schlug die Decke wieder über den schrecklich zugerichteten Leichnam und richtete sich mit einer Bewegung auf, die wie die eines uralten, gebrechlichen Mannes wirkte. »Was für ein Ungeheuer. Aber wenigstens hat er ihr vorher die Kehle durchgeschnitten. Sie dürfte nicht allzu viel gespürt haben.«
    Bast schluckte den bitteren Speichel nun doch herunter, atmete hörbar ein und fragte dann mit belegter Stimme: »Warum zeigen Sie mir das, Inspektor?«
    »Damit Sie sehen, womit wir es zu tun haben«, antwortete Abberline.
    »Und warum sollte ich das sehen?«
    »Ich dachte, es würde Ihnen vielleicht helfen, gewisse … Entscheidungen zu treffen.«
    »Was für Entscheidungen sollten das sein?«
    Statt sofort zu antworten, wandte sich Abberline um und bedeutete ihr mit einer stummen Geste, ihm zu folgen.
    Sie gingen nur wenige Schritte weit, bis sie vor einer brüchigen Ziegelsteinmauer stehen blieben. Abberline winkte einen Konstabler herbei – Bast registrierte beiläufig, dass es Stowe war – und wies ihn mit einer immer noch wortlosen Handbewegung an, seine Lampe einzuschalten und auf die Mauer zu richten. Der weiße Strahl war so gleißend, dass Bast im ersten Moment Mühe hatte, die mit präzisen weißen Kreidebuchstaben gemalten Worte zu entziffern, die jemand auf den nassen Stein geschrieben hatte.
    Und als es ihr gelungen war, verstand sie sie nicht.
    »›Die Juwes sind nicht die Menschen, die für nichts beschuldigt werden‹«, murmelte sie. »Was hast das zu bedeuten?«
    Abberline hob die Schultern. »Ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht eine Idee dazu haben könnten«, sagte er.
    »Ich?«
    »Nein, nicht dass ich auch nur im Entferntesten glauben würde, Sie hätten irgendetwas mit dieser schrecklichen Sache zu tun«, versicherte Abberline hastig; und sehr ehrlich, wie sie spürte. »Jacob Maistowe hat mir erzählt, dass Sie eine weit gereiste Frau mit einer großen Erfahrung in fremden Kulturen und arkanen Bräuchen sind. Bitte verzeihen Sie. Es war … eine dumme Idee.«
    Für Bast hörte es sich eher nach einer verzweifelten Idee an; was ihr

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