Anubis 02 - Horus
fortzuschicken. Sie hätte es gekonnt, ohne die geringste Mühe – aber damit hätte sie nicht nur Abberlines Misstrauen neue Nahrung gegeben, sondern auch Stowe Schwierigkeiten bereitet, und beides wollte sie nicht.
Die Tür ging auf, und Mrs Walsh, die offensichtlich jedes Wort gehört hatte, sagte kühl: »Dann sollten Sie Ihre Pflicht auch tun, Konstabler. Aber tun Sie auch mir einen Gefallen und parken Sie dieses schreckliche Gefährt nicht direkt vor meiner Tür. Meinen Gästen dürfte das nicht gefallen, und ich möchte auch kein Gerede in der Nachbarschaft.«
Stowe wirkte für einen Moment unentschlossen und fast ein wenig hilflos, dann aber drehte er sich schon beinahe hastig um und eilte davon, um den Wagen anderswo zu parken.
»Wir müssen uns unterhalten, meine Liebe«, sagte Mrs Walsh kühl. »Jacob und ich haben Ihnen zwar unsere Hilfe angeboten, aber ich fürchte, Sie legen dieses Angebot ein wenig zu großzügig aus.«
»Das mit dem Konstabler tut mir leid«, sagte Bast. »Es lag nicht in meiner Absicht …«
»Das meine ich nicht«, antwortete Mrs Walsh. Sie trat einen Schritt zurück und zog die Tür dabei weiter auf, um Bast an sich vorbeizulassen, und sie gehorchte schweigend.
In dem kleinen Salon brannte Licht, obwohl es draußen mittlerweile hell geworden war, und im Kamin brannte ein behagliches Feuer. Der kleine Tisch davor war verwaist, aber das Teeservice darauf bewies, dass Maistowe und Mrs Walsh in dieser Nacht offenbar ebenso wenig Schlaf gefunden hatten wie sie. Mrs Walsh geleitete sie wortlos zum Tisch, bedeutete ihr mit einer fast befehlenden Geste, Platz zu nehmen und verschwand mit schnellen Schritten in der Küche, um einen Augenblick später mit einer sauberen Tasse zurückzukommen.
»Wie geht es Cindy?«, fragte Bast.
Mrs Walsh hob die Teekanne, sah sie fragend an und ignorierte Basts ablehnendes Kopfschütteln, indem sie ihr dennoch einschenkte. Erst dann antwortete sie: »Das Mädchen, meinen Sie? Es schläft. Es war nicht leicht, es zu beruhigen, aber am Ende ist es mir schließlich gelungen. Jacob ist jetzt oben bei ihr und passt auf.« Sie seufzte. »Wir hätten Sie früher zurückerwartet, meine Liebe.«
»Ich weiß, und es tut mir auch leid«, sagte Bast. »Ich wollte Kapitän Maistowe und Ihnen bestimmt keine Schwierigkeiten bereiten, aber ich … wurde aufgehalten.«
»Ja, das scheint mir auch so.« Mrs Walsh warf einen bezeichnenden Blick zur Tür. »Hat Sie dieser Gentleman wegen des Mädchens begleitet?«
»Cindy?« Bast schüttelte den Kopf. »Nein. Keine Sorge, Mrs Walsh. Es hat nichts damit zu tun. Ich fürchte, es hat einen weiteren Mord gegeben.«
»Ich weiß«, antwortete Mrs Walsh. »Jacob hat mir davon erzählt.«
»Nein, das meine ich nicht«, sagte Bast. »Noch einen Mord. Vor vielleicht einer Stunde.«
»Einen zweiten Mord? Den zweiten in nur einer Nacht?« Mrs Walsh riss die Augen auf. »Großer Gott! In was für Zeiten leben wir nur? Aber, wenn Sie mir die Frage verzeihen, was haben Sie damit zu tun?«
»Nichts«, versicherte Bast hastig. »Vielleicht kam es Inspektor Abberline einfach nur seltsam vor, dass er mich zweimal in einer Nacht getroffen hat, noch dazu unter solchen Umständen. Aber es wird sich alles aufklären, keine Sorge. Der Inspektor hat versprochen, noch vorbeizukommen.«
»Das will ich hoffen«, sagte Mrs Walsh ernst. »Es tut dem Ruf meines Hauses nicht gut, wenn die Polizei hier ein- und ausgeht.«
Das Klappen einer Tür hielt Bast davon ab, zu antworten. Sie sah zur Treppe und erblickte Maistowe, der mit hängenden Schultern die Stufen herunterkam. Er sah müde aus und sehr erschöpft, und Bast erschrak ein bisschen. Manchmal vergaß sie, dass normale Menschen regelmäßig in jeder Nacht Schlaf brauchten.
»Ah, Bast, da sind Sie ja.« Er sparte es sich, ein endlich hinzuzufügen, aber es klang trotzdem so, als hätte er es getan.
»Wie geht es der Kleinen?«, fragte Bast rasch und stand auf, doch Maistowe schüttelte den Kopf und hob die Hände, während er mit schleppenden Schritten weiter die Treppe herunterkam.
»Sie schläft jetzt, und Sie sollten sie auch schlafen lassen«, sagte er. »Es war nicht leicht.«
»Das Opium?«, fragte Bast. Maistowe schüttelte den Kopf, und sie sah aus den Augenwinkeln, wie Mrs Walsh die Stirn runzelte und plötzlich noch besorgter aussah; und auch ein wenig verärgert. Offensichtlich hatte Maistowe ihr alles erzählt.
»Nein«, antwortete Maistowe »Die Wirkung hat schon vor
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