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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bewusstlosen Roy hinab. »Ich meine: Kommst du zurück?«
    »Ganz bestimmt«, versicherte Bast. »Ich muss immer noch mit Patsy reden.«
    »Du hast mit ihr geredet.«
    »Aber sie nicht mit mir«, antwortete Bast. »Jedenfalls nicht so, wie ich es mir vorgestellt hätte. Ich muss sie finden und mich eingehend mit ihr unterhalten – und nicht nur für fünf Minuten.« Sie schnitt Faye mit einer Handbewegung das Wort ab, als sie widersprechen wollte. »Geh jetzt. Ich finde dich schon.«
    Das war ganz offensichtlich nicht das, was Faye hatte hören wollen, aber Bast gab ihr keine Gelegenheit, noch einmal zu widersprechen, sondern wandte sich rasch um und ging, blieb aber schon nach zwei oder drei Schritten wieder stehen und wandte sich noch einmal zu ihr um. »Wo finde ich einen Wagen?«
    »Gleich rechts in der Goulsten Street«, antwortete Faye, »aber …«
    Bast ging weiter, ohne hinzuhören, bog nach rechts ab und gleich an der nächsten Kreuzung abermals nach rechts – und blieb wie angewurzelt wieder stehen. Einen Moment lang überlegte sie ernsthaft, ob sie sich verirrt hatte, oder sie ihre Erinnerungen narrten, denn der Anblick unterschied sich kaum von dem, der sich ihr gestern Abend geboten hatte. Am anderen Ende der Straße hatte sich ein regelrechter Menschenauflauf gebildet. Fackeln und der hektisch hin und her tastende Lichtschein zahlreicher Karbidlampen verhalfen dem Morgen zu einer vorzeitigen Dämmerung, und selbst die kleine Flotte aus Fuhrwerken und Droschken war wieder da, als hätte sie jemand genommen und in exakt gleicher Konstellation hier abgestellt: Jeweils zwei quer gestellte Wagen blockierten die Straße vor und hinter der Menschenmenge, und wer vielleicht diese Barrikade passieren wollte, musste an mindestens zwei von einem guten Dutzend Bobbys vorbei, die peinlich genau seine Personalien notierten, bevor sie ihn gehen ließen; was übrigens längst nicht immer der Fall war. Einer der zahlreichen Wagen war eine massive vierspännige Kutsche mit vergitterten Fenstern, hinter denen sie die Umrisse von mindestens zwei Männern ausmachte, und drei oder vier weitere standen ein Stück abseits und wurden von einer gut doppelt so großen Anzahl missmutig dreinblickender Bobbys bewacht. Anscheinend war es an diesem Abend wirklich nicht ratsam, das East End aufzusuchen, ob mit oder ohne gültige Ausweispapiere.
    Zumindest nicht für sie. Bast war ebenso beunruhigt wie neugierig, was dort passiert war, aber sie hatte nicht vergessen, wie es ihr am vergangenen Abend ergangen war, und sie konnte kaum damit rechnen, abermals in letzter Sekunde Beistand von unerwarteter Seite zu bekommen. Etwas war da geschehen, was mindestens genau so schlimm zu sein schien wie der Mord an Liz, wenn nicht schlimmer, und der Anblick dieses gewaltigen Polizeiaufgebotes und der nervösen Menschenmenge beunruhigte sie ebenso sehr, wie er schlicht und einfach ihre Neugier weckte – aber ihre Vorsicht und ihre Instinkte rieten ihr auch nachdrücklich, auf der Stelle kehrtzumachen und zu verschwinden. Und vermutlich hätte sie auch auf ihre innere Stimme gehört, wäre nicht in diesem Moment über den Köpfen der Menschenmenge ein grelles, kalkweißes Licht aufgeflammt; ein gleißender Blitz, der im gleichen Sekundenbruchteil auch schon wieder erlosch, in dem er die Nacht endgültig verjagte, alle Farben auslöschte und die Zuschauer zu tiefenlosen schwarzen Silhouetten werden ließ.
    Eine davon war nicht die eines Menschen.
    Es war der Schatten eines riesigen Vogels, schwarz, grausam, mit gewaltigen, schimmernden Flügeln, einem grausamen Schnabel und fürchterlichen Fängen, die …
    Das grelle Licht erlosch, und die Dinge wurden wieder zu dem, was sie waren. Der unheimliche Schatten verschwand, aber so unendlich kurz der Moment auch gewesen sein mochte – Bast wusste, was sie gesehen hatte.
    Aus ihrem unguten Gefühl wurde Gewissheit, und auch wenn die warnende Stimme ihrer Vernunft keinen Deut leiser geworden war, setzte sie ihren Weg nun doch fort; statt kehrtzumachen und sich zurückzuziehen, bevor irgendjemand auf sie aufmerksam wurde. Sollte das geschehen, würde sie eben zu anderen Mitteln greifen müssen.
    Ihr Blick tastete aufmerksam über die zusammengelaufene Menschenmenge, während sie – langsamer werdend – näher kam. Es war genau die Zusammenstellung, die sie erwartet hatte: Männer in derben Kleidern und mit müden Gesichtern, die auf dem Weg zur Arbeit hier vorbeigekommen waren, Neugierige, die der

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