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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich zur Mittagszeit das Sonnenlicht darauf gespiegelt hat, dann war es so grell, dass es unmöglich war, sie anzusehen.«
    »Damit die Leute glauben, sie kämen direkt von ihren Göttern?«
    Bast sah den alten Mann erstaunt an. »Sie haben also doch schon von den Obelisken gehört?«
    »Nein«, antwortete Arthur. »Hab ich mir so gedacht. Ist aber eigentlich das Einzige, was Sinn macht.«
    Bast nickte anerkennend. »Eine kluge Überlegung«, sagte sie. »Ganz so war es nicht. Jedenfalls war es von ihrem Erbauer nicht so geplant … aber es hat tatsächlich nicht allzu lange gedauert, bis viele geglaubt haben, der Sonnengott selbst hätte sie aufgestellt, um die Menschen mit seinem Licht zu erhellen.«
    »Kann man fast glauben, wenn man das Ding so sieht«, sagte Arthur. »Aber wieso sagen Sie immer sie? «
    »Weil es zwei Obelisken sind«, antwortete Bast. »Sehen Sie die Hieroglyphen? Das ist die alte ägyptische Bildschrift. So ähnlich wie Ihre Buchstabenschrift, nur dass man damals eben keine einzelnen Buchstaben benutzt hat, sondern jedes Wort ein eigenes Zeichen hatte.«
    »Muss eine Menge Zeichen gewesen sein«, sagte Arthur.
    »Ziemlich viele«, bestätigte Bast. »Und die meisten davon hatten mehrere Bedeutungen, manchmal zwei oder drei, manchmal aber auch ein Dutzend oder mehr, je nachdem, in welchem Zusammenhang man es gerade benutzt hat.«
    »Das klingt kompliziert«, sagte Arthur.
    »Auch nicht komplizierter als so manche Schrift, die es heute noch gibt«, antwortete Bast. »Sie wissen doch, wie es heißt: Nichts ist wirklich kompliziert, wenn man es kann.«
    »Und Sie können das lesen?« Arthurs Stimme klang geradezu ehrfürchtig, und Bast hätte um ein Haar geschmeichelt genickt, besann sich dann aber im letzten Moment eines Besseren.
    »Die Schrift der Pharaonen ist mit ihnen untergegangen. Erst mühsam beginnen die Menschen heute, sie wieder zu enträtseln. Aber ich weiß, was sie bedeuten.« Sie machte eine übertriebene Geste zu den verwitterten Zeichen und Symbolen hinauf, die so vielen Jahrtausenden getrotzt hatten, nur um jetzt von den Blicken ungebildeter Barbaren besudelt zu werden. »Sie erzählen die Geschichte des ägyptischen Reiches, vom Jahr seiner Gründung an bis zu dem Tag, an dem sie vor dem Tempel des Sonnengottes in Heliopolis aufgestellt wurden. Dieser hier allerdings nur die letzten achthundert Jahre. Der Rest steht auf den beiden anderen. Thutmosis III. hat sie damals zu Ehren des Sonnengottes aufstellen lassen.«
    »Dann waren es drei? « , sagte Arthur erstaunt.
    »Ja«, antwortete Bast. »Das hier ist der kleinste. Ein zweiter wurde nach New York gebracht, und der dritte ist schon vor langer Zeit verschollen. Niemand weiß, wohin. Tatsächlich weiß kaum noch jemand, dass es überhaupt einen dritten Obelisken gab. Die Forscher heute glauben, dass es nur zwei waren, und vielleicht ist das auch gut so.«
    »Warum?«, fragte Arthur.
    Bast deutete ein Schulterzucken an. Sie bedauerte es schon fast, diesen letzten Satz überhaupt ausgesprochen zu haben. Trotzdem fuhr sie fort: »Vielleicht sollten manche Dinge lieber in der Zeit bleiben, die sie hervorgebracht hat, Arthur. Manche glauben, dass ein Fluch auf diesen Obelisken liegt. Thutmosis starb lange vor seiner Zeit, und das Reich der Pharaonen ging unter. Später haben die Römer die beiden übrig gebliebenen Obelisken gestohlen, und Sie wissen, was dem Römischen Reich widerfahren ist?«
    »Und jetzt glauben Sie, das britische Empire würde auch untergehen?«
    »Die Menschen haben viele Imperien gegründet«, antwortete sie. »Manche waren größer als das Empire, und viele haben Jahrtausende überstanden. Aber am Ende sind sie alle untergegangen. Nichts, was Menschen erschaffen, hält für die Ewigkeit.« Plötzlich lachte sie. »Aber so schnell wird es nicht gehen, keine Sorge. Das Pharaonenreich hat noch anderthalb Jahrtausende überdauert, nachdem diese Obelisken aufgestellt wurden, und auch das römische Weltreich hielt noch viele Jahrhunderte. Sie haben also noch ein bisschen Zeit.«
    Arthur blinzelte verwirrt. Einen Moment lang sah er so ratlos aus, dass er Bast fast ein wenig leidtat, aber dann zwang auch er sich zu einem – sehr nervösen – Lachen. »Sie können wirklich gut erzählen, Ma’am«, sagte er. »Man könnte fast meinen, Sie wären dabei gewesen.«
    »So wie Sie, wenn Sie von der Geschichte Ihrer Heimatstadt erzählen«, antwortete Bast. »Ich bin in Ägypten aufgewachsen, vergessen Sie das nicht.«

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