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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte sich der Nebel etwas gelichtet, oder vielleicht war er auch oben auf dem Kutschbock nicht ganz so deutlich spürbar wie auf der Straße. Arthur zeigte ihr in diesen zwei Stunden mehr von der Stadt, als so manch anderer es in zwei Tagen gekonnt hätte: den Buckingham-Palast, Trafalgar Square und das Parlament, aber auch andere, düsterere und obskurere Plätze, wie den berüchtigten Galgenhügel, auf dem Tausende von Schuldigen – und vermutlich ebenso viele Unschuldige – ihr Leben ausgehaucht hatten, und Speaker’s Corner im Hyde Park, wo jedermann ungestraft seine Meinung kundtun – oder auch nur Unsinn reden – konnte. Er wusste auch eine Menge interessanter Anekdoten über die Stadt und ihre Geschichte zu erzählen, von denen vermutlich die Hälfte pure Erfindung waren – was sie nicht minder interessant machte –, und Bast schwirrte schon bald der Kopf von allem, was sie gehört und gesehen hatte; das aber auf eine durchaus angenehme Weise.
    Vielleicht lag es schlichtweg an Arthurs Gesellschaft. Nachdem er seine anfängliche Befangenheit und den Schrecken über den Beinahe-Unfall überwunden hatte, begann er nicht nur zu reden, sondern gewann auch sichtlich an Freude an der ungewohnten Aufgabe, und Bast ihrerseits begann seine Gesellschaft in zunehmendem Maße zu genießen. Vor allem, nachdem sie ihre eigenen Hemmungen überwunden und vorsichtig in ihn hineingelauscht hatte. Arthur war genau das, als was sie ihn von Anfang an eingeschätzt hatte: ein einfacher, aber aufrechter Mann, der ein langes und mühsames Leben voller Arbeit und ohne jegliche Chance hinter sich hatte und doch zu Recht stolz darauf war, es in Ehren bewältigt zu haben, ohne vom rechten Weg abgekommen zu sein oder auch nur mit dem Schicksal zu hadern.
    Die wenigen Jahre, die noch vor ihm lagen, würden schlimmer werden. Bast hatte tief genug in ihn hineingeschaut, um zu wissen, wie es weitergehen würde. Seine Knochen waren verschlissen, sein Herz schwach, und jeder weitere Tag, den er auf dem zugigen Bock verbrachte, verkürzte seine verbleibende Lebenserwartung. Außerdem war eines seiner beiden betagten Pferde krank und allerhöchstens noch drei Monate von der Schlachtbank entfernt, und seine bescheidenen Ersparnisse reichten nicht einmal annähernd aus, um ein neues Tier zu kaufen. Bast nahm sich vor, etwas für ihn zu tun, bevor sie wieder an Bord der Lady ging und dieses Land verließ.
    Trotz dieses Wermutstropfens genoss sie die Fahrt in vollen Zügen. Es tat einfach gut, eine Weile in der Gesellschaft eines Menschen zu verbringen, der ihr nicht nach dem Leben trachtete, eine Intrige gegen sie spann oder sonst irgendetwas anderes im Schilde führte. Sie empfand ein deutliches Bedauern, als Arthur schließlich erklärte, dass sie ihr Ziel jetzt beinahe erreicht hatten.
    »Ich fürchte, jetzt muss ich mich doch bei Ihnen entschuldigen, Ma’am«, fügte er hinzu. »Wir waren länger unterwegs, als ich vorher gesagt habe. So ist das nun mal, wenn man ins Reden kommt.«
    »Ich habe jede Sekunde genossen, Arthur«, versicherte Bast. »Sie sind ein ausgezeichneter Fremdenführer, wissen Sie das eigentlich?«
    Arthur lächelte zwar geschmeichelt, blickte aber trotzdem leicht schuldbewusst. »Ich hoffe doch, Sie kommen jetzt nicht zu spät zu Ihrer Verabredung.«
    »Das kommt ganz darauf an, wie spät es ist.« Bast konnte sich nicht erinnern, irgendetwas von einer Verabredung gesagt zu haben, aber sie nahm an, dass Arthur das einfach voraussetzte, da sie zu einer bestimmten Stunde an einem bestimmten Ort sein wollte. »Und selbst wenn, ist es auch nicht schlimm. Es war nicht besonders wichtig.«
    Sie drehte sich dennoch auf dem Kutschbock herum, um einen Blick auf den Zeiger von Big Ben zu werfen, den sie vor einer Weile passiert hatten.
    Stattdessen blieb ihr Blick an der kantigen Silhouette des Tower hängen, der sich wie eine drohend emporgereckte Faust über die Dächer der umliegenden Gebäude erhob.
    »Was haben Sie, Ma’am?«, fragte Arthur. Seine Stimme klang leicht alarmiert und Bast begriff, dass sich der Schrecken, den sie empfand, deutlich auf ihrem Gesicht widerspiegelte.
    »Nichts«, antwortete sie. »Es war nur …« Sie hob die Hand und deutete auf drei winzige Punkte, die die Spitze des düsteren Wahrzeichens Londons umkreisten. Bedachte man die Entfernung, dann waren sie vermutlich alles andere als winzig. »Was ist das?«
    Arthur ließ die Pferde in gemütlichem Trab weiterlaufen, während er sich ebenfalls

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