Anubis 02 - Horus
zurück, als Maistowe hinter ihr auftauchte. Er zitterte noch immer am ganzen Leib, und sie konnte trotz der Dunkelheit sehen, wie blass er war.
»War das … einer der Männer, von denen Sie mir erzählt haben?«, fragte er stockend.
Bast nickte zwar, antwortete aber nicht laut, sondern konzentrierte sich auf die gedämpften Laute, die aus der Tiefe zu ihr heraufdrangen: das seidige Fließen des Wassers und die trappelnden Schritte der drei Männer, die schnell genug die Treppe hinunterstürmten, um das eine oder andere gebrochene Bein oder im Zweifelsfall auch Genick zu riskieren. Wenn Sobek oder Horus dort unten warteten, dann atmeten sie nicht einmal.
Nicht, dass sie das unbedingt mussten …
»Aber … aber warum haben sie das getan?«, stammelte Maistowe. »Dieser arme Mann hat doch niemandem etwas getan!«
»Sie brauchen keinen Grund für so etwas«, antwortete Bast. »Glauben Sie mir.« Sie versuchte sich noch mehr zu konzentrieren. Da waren noch andere Geräusche, selbst für ihre scharfen Ohren zu leise und fast nicht zu identifizieren: ein schweres Gluckern und Plätschern, als glitte irgendetwas Großes träge durch das Wasser, ein haarfeines Piepsen und Huschen, vielleicht das Kratzen winziger harter Pfoten auf Stein, und die hastigen Schritte und scharfen Atemzüge der drei Männer, die mittlerweile fast unter ihr angekommen waren.
»Aber wer sind diese Männer?«, murmelte Maistowe hilflos. »Und was haben Sie mit ihnen zu schaffen? Glauben Sie nicht, dass Sie mir allmählich eine Erklärung schulden?«
Bast schwieg. Wahrscheinlich hatte sie schon viel zu viel gesagt, sowohl ihm als auch Mrs Walsh und Abberline. Wie Isis nicht müde wurde, ihr immer wieder zu versichern: Wenn sie überhaupt einen wirklichen Fehler hatte, dann war es ihre Schwatzhaftigkeit. Und die hatte jetzt ein Leben gekostet, noch dazu das Leben eines Mannes, dessen einziger Fehler es gewesen war, nett zu ihr zu sein und sich im falschen Moment am falschen Ort aufzuhalten. Plötzlich wurde ihr klar, was sie tun musste.
»Nein«, sagte sie. »Ich werde Ihnen nichts mehr erklären, Kapitän. Ich würde Sie damit nur in Gefahr bringen.« Sie machte eine Kopfbewegung auf den Wagen und strich zugleich unauffällig ihren Mantel glatt, damit er das Schwert darunter nicht sah. »Möchten Sie so enden wie der arme Arthur?«
»Aber was habe ich mit …?«
»Weil sie vermutlich jeden umbringen werden, der mir irgendetwas bedeutet«, fiel ihm Bast bitter ins Wort. »Das ist nun einmal ihre Art.« Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Ich werde dieses Land verlassen, Jacob. So schnell wie möglich. Am besten noch heute.«
Fast zu ihrer Überraschung versuchte Maistowe weder, sie umzustimmen, noch stellte er eine weitere Frage. Er sah sie nur einen kurzen Moment lang traurig an und seufzte dann: »Das wird Inspektor Abberline nicht gefallen, fürchte ich.«
»Lassen Sie das meine Sorge sein«, antwortete Bast. Sie deutete auf den Wagen. »Trauen Sie sich zu, Arthurs Familie ausfindig zu machen?«
»Sicher.«
»Dann würde ich Sie bitten, das nach meiner Abreise zu tun und ihnen eine gewisse Summe Geldes auszuhändigen, die ich Ihnen zuvor übergeben werde. Immerhin haben sie meinetwegen ihren Ernährer verloren.«
»Das tue ich gern, aber …«
Aus der Tiefe hinter ihr wehte ein entsetzter Schrei herauf, und Bast fuhr mit einer blitzartigen Bewegung herum, riss das Schwert unter dem Mantel hervor und sprang. Vielleicht eine Winzigkeit zu hastig. Abberline und die beiden Bobbys befanden sich unmittelbar unter ihr, und sie konnte ihren Sprung gerade noch im letzten Moment korrigieren, um nicht wortwörtlich auf ihren Köpfen zu landen. Nicht annähernd so elegant, wie sie es beabsichtigt hatte, kam sie neben Abberline auf, sprang mit einer federnden Bewegung wieder in die Höhe und hob das Schwert … aber die einzige, schwarz gekleidete Gestalt, die ihr gegenüberstand, war Abberline. Einer der beiden Bobbys stand neben ihm und wirkte mindestens genauso fassungslos wie Abberline, der andere hockte hinter den beiden auf einem Knie und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die rechte Hand.
»Was ist passiert?!«, stieß Bast hervor.
Abberline antwortete nicht, sondern starrte aus großen Augen zuerst sie, dann das Schwert in ihrer Hand und dann wieder ihr Gesicht an. Schließlich legte er den Kopf in den Nacken und starrte eine geschlagene Sekunde lang nach oben.
»Verdammt noch mal, was ist passiert?«, wiederholte Bast
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