Anubis 02 - Horus
auch mit einem hellen Klirren in Stücke und fiel zu Boden, und Abberline packte das Scherengitter und drückte es mit einer verzweifelten Anstrengung auseinander. Hinter ihnen sprangen weiß glühende Flammen die Treppe herauf, prasselnd und entsetzlich schnell, und als wäre all das noch immer nicht genug, tauchte unter der Tür plötzlich eine brennende Gestalt auf, als wäre der Teufel persönlich aus der Hölle herausgetreten, um sie zu holen.
Abberline ließ das Gitter los, fuhr herum und zielte mit seinem Revolver auf den lodernden Schemen, und Bast schlug ihm die Waffe aus der Hand, sprengte das Scherengitter mit einer einzigen, wütenden Bewegung auf und zerrte ihn einfach mit sich. Abberline schrie irgendetwas, das im Brüllen der Flammen und dem Tosen des Luftstromes einfach unterging, und Bast musste sich nicht herumdrehen, um zu wissen, dass sie es nicht schaffen würden.
Kurz entschlossen packte sie Abberline, warf ihn sich über die Schulter und jagte die Stufen hinauf, so schnell sie nur konnte.
Die Hölle folgte ihnen. Bast überwand das letzte halbe Dutzend Stufen mit einem einzigen, verzweifelten Satz, und etwas, das heißer war als das glühende Herz der Sonne traf ihren Rücken und schleuderte sie zu Boden. Abberline flog davon wie eine Gliederpuppe mit zerrissenen Fäden, und hinter ihr schoss eine brüllende Stichflamme aus dem Treppenschacht, schlug wie eine weiß glühende Kralle nach dem Himmel und erlosch wieder. Eine Welle unerträglicher Hitze strich über sie hinweg und brannte auch noch das letzte bisschen Luft aus ihren Lungen, und sie hörte ein gewaltiges Scheppern und Klirren, als die Fensterscheiben der umliegenden Häuser alle im gleichen Sekundenbruchteil zerplatzten.
Dann senkte sich Stille über sie, so jäh und absolut, dass es fast weh tat. Alles wurde dunkel.
Aber wenn das der Tod war, dann ließ er auf sich warten.
Bast blieb sekundenlang mit klopfendem Herzen und angehaltenem Atem liegen, presste das Gesicht gegen den herrlich kühlen Boden und wartete darauf, dass irgendetwas geschah.
Ihr wurde die Luft knapp, das war alles, und nach einigen weiteren Augenblicken resignierte sie und öffnete die Augen.
Viel hatte sich nicht verändert. Sie war vielleicht nicht tot, aber der Anblick, der sich ihr bot, hatte durchaus etwas vom Vorhof der Hölle. Der Treppenschacht hinter ihr brannte immer noch; keine alles verzehrende Stichflamme mehr, sondern prasselnde gelbe und rote Flammen, die die hölzernen Stufen und das Geländer verzehrten, aber kaum weniger Hitze verströmten. Auch vom Himmel regneten Funken. Sie befand sich auf einem kleinen, von Bäumen umstandenen Platz, und die Stichflamme hatte die Äste der nächstgelegenen Bäume in Brand gesetzt, die nun mit einem nassen Zischen verbrannten. Irgendwo außerhalb ihres Sichtfeldes war ein Poltern und Krachen zu hören, das einfach nicht aufhören wollte, und sie vernahm Schreie und das hastige Trappeln näher kommender Schritte. Der Boden, auf dem sie lag, zitterte leicht.
Wo war Abberline?
Mühsam stemmte sich Bast auf Hände und Knie, verzog das Gesicht, als ein scharfer Schmerz durch ihren Schädel schoss und hielt aus tränenden Augen nach dem Inspektor Ausschau.
Abberline entdeckte sie nicht, aber für den Bruchteil eines Lidschlages glaubte sie einen Schatten wahrzunehmen, der aus dem brennenden Treppenschacht huschte und mit der Nacht verschmolz.
Bast setzte sich auf und presste schmerzhaft die Lippen zusammen. Das Wühlen und Reißen in ihrem Schädel ließ nicht nach, sondern wurde im Gegenteil immer schlimmer. Sie hatte das Gefühl, bei lebendigem Leib skalpiert zu werden. Mit zusammengebissenen Zähnen griff sie nach oben und spürte, wie ihr Turban zu harten Ascheflocken zerbröckelte, als sie ihn berührte. An ihren Fingerspitzen klebte schmierig verklumptes Blut, als sie die Hand zurückzog.
Nun gut, wenigstens war sie so der Sorge ledig, sich morgen früh wieder den Kopf rasieren zu müssen.
Bast verzog die Lippen ob dieses kindischen Gedankens, wischte die Hand an ihrem Mantel ab und stand unsicher auf »Ich weiß nicht, was Sie so amüsant finden, Bast – aber was immer es ist, der Augenblick ist nicht besonders glücklich gewählt. Kommen Sie.«
Abberline, der aussah, als käme er gerade aus dem Kessel einer Dampflokomotive, die versucht hatte, den Stundenweltrekord zu brechen, packte sie grob am Arm und zerrte sie mit sich. Im allerersten Moment versuchte Bast ganz instinktiv, sich zu
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