Anwaltshure 3
unterhielten, doch ich hörte an ihren Stimmen, dass keine wirkliche Gefahr drohte.
»Derek wollte mir im Stall helfen und ist in einen Eisenspieß gefallen. Städter tun sich oft schwer mit der Arbeit im Stall.«
Dr. Scott nickte nachdenklich. »Ja. Das hast du wohl recht.«
Er zog die Wunde auseinander und drückte sie dann wieder zusammen, sodass noch mehr Blut herauslief.
Derek stöhnte.
»Ihr habt einen Haufen Blut draußen im Schnee.« Er hob Dereks Bein an und besah sich die Unterseite. »Der Junge hat Glück gehabt. Ist ein Durchschuss.«
»Woher weißt du das?«, fragte Tammy spitz.
Ein langer Blick war die einzige Antwort, die sie bekam. »Bring mir meine Tasche.«
Er verarztete die Wunde und gab Derek eine Spritze, während ich Dereks kalte Hand an mich presste und ihm den Schweiß aus dem Gesicht wischte.
»Fertig. Ich komme in den nächsten Tagen wieder. Wenn das Fieber stark steigt, ruft mich an!«
Mit einem Ächzen beugte er sich zu seiner Tasche herab, warf Tammy ein paar Mullbinden hin und ging dann zur Tür. »Seht nur zu, dass die Nummer in der Familie bleibt!«, knurrte er und ging dann hinaus.
»Willst du hier unten bei ihm schlafen?«, fragte Tammy mit sanfter Stimme.
Ich nickte. Die Müdigkeit war beinahe übermächtig.
Fürsorglich brachte Tammy mir Kissen und Decken für uns beide. »Du darfst dir keine allzu großen Sorgen machen. Er ist ein gesunder junger Kerl ... Er schafft das.«
Die Tränen schossen mit solcher Geschwindigkeit in meine Augen, dass ich nur noch eine Hand vor die Lippen pressen konnte, um nicht laut aufzuschreien.
Tammy legte mir einen Arm um die Schultern und ich schluchzte. »Ich ... ich weiß nicht, wer ihr seid und warum Derek ausgerechnet hierher gefahren ist ... aber ... bei dieser Sache ... also da wurde ein Freund von uns verletzt. Könnt ihr in den Nachrichten schauen, ob etwas darüber gebracht wird?« Es beschämte mich zutiefst, aber ich hatte erst wieder in dem Moment an Jay gedacht, als Dr. Scott das mit dem Durchschuss gesagt hatte. Doch dafür trieb mich die Sorge jetzt umso mehr um.
Tammys Blick, mit dem sie John bedachte, verunsicherte mich zutiefst. Eine grauenhafte Fantasie erfasste mich. Ein Bild, zu schrecklich, um es in allen Details in meinem Verstand zu betrachten. Ich ertrage nichts mehr heute Nacht , wollte ich sagen. Sagt mir, dass er okay ist, dann kann ich einschlafen.
»Ruh dich aus!«, sagte John ebenso sanft wie seine Frau. »Morgen können wir dann über alles reden. Jetzt ist nur wichtig, dass Derek wieder auf die Beine kommt.« Sie nickten mir aufmunternd zu und gingen. Aber ich sah die Blicke, die sie tauschten. Und ich ertrug es fast nicht.
Vorsichtig deckte ich Derek zu, dann wendete ich mich dem Fernseher in der gegenüberliegenden Ecke des etwas altmodisch eingerichteten Wohnzimmers zu. Dieser Raum war zum gemütlichen Entspannen gedacht, nicht als repräsentativer Empfangsort.
Bei abgedrehtem Ton folgte ich den Bildern, die vor mir flimmerten. Ich hoffte, dass das Hell- und Dunkelwerden des Bildschirms Derek nicht störte.
Nachdem ich eine Weile schlaftrunken auf die vielen Bilder geblickt hatte, kamen die Nachrichten. Mein Blick und Verstand stellten sich scharf. Wir waren der Aufmacher. Der Sprecher trug einen eleganten dunkelblauen Anzug und eine passende gestreifte Krawatte. Er wirkte freundlich und dabei doch sachlich. Über dem Kopf des Nachrichtensprechers hingen mehrere Monitore, auf denen man die Fotos sah, die zu dem gerade vorgetragenen Bericht gehörten.
In diesem Fall war es das Bild eines Mannes, lediglich mit einer Jeanshose bekleidet, der mit angewinkeltem Bein in einer offenen Haustür lag. Sein rechter Arm war weit ausgestreckt, während sein linker über seiner Stirn lag, als schütze er sich gegen die zu grelle Sonne. Sein Brustkorb war weit gedehnt. Ob er lebte oder tot war, ließ sich aus diesem Foto nur insofern schließen, als man einen gewaltigen dunklen Fleck sah, der sich unter dem Mann ausbreitete. Ein Fleck, der sich bis zu der Stelle hinzog, wo die üppigen Locken des Mannes, wie ein Heiligenschein um seinen Kopf gebreitet waren.
Das Foto verschwand und man sah eines jener unmöglichen Automaten-Fotos, die man macht, wenn man bei den Passfotos Geld sparen muss. Ein fröhliches, bemerkenswert gut aussehendes Männergesicht lächelte einen an. Jay!
Mein Blick verschleierte sich. Mehr wollte ich nicht sehen, so schaltete ich den Fernseher aus, setzte mich dann neben Derek in einen
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