Apartment in Manhattan
meine Klamotten der letzten zwei Tage in meine Umhängetasche gestopft habe – und absichtlich meine Zahnbürste in dem Halter über dem Waschbecken zurücklasse, obwohl Will nicht da ist – gehe ich zur Tür hinaus und schließe hinter mir ab.
James ist in der Halle, wunderhübsch und breitschultrig in seiner navyfarbenen Uniform. „Wie geht es Ihnen?“ fragt er. Er kennt meinen Namen nicht. Das hat mich bis zum heutigen Tage nie gestört. Aber jetzt scheint mir nichts auf der Welt wichtiger zu sein, als hierher zu gehören, in Wills Gebäude, in Wills Leben.
„Es ging schon besser“, sage ich und gebe ihm die Schlüssel. „Die sind für Wills Mitbewohnerin.“
„Nerissa“, sagt er und nickt.
Nun, natürlich kennt er
ihren
Namen. Sie lebt ja hier.
Und in diesem Augenblick hasse ich sie mehr, denn je.
Vielleicht ergibt das keinen Sinn, weil sie ja nur seine Mitbewohnerin ist und ich seine Freundin.
Auf die Straße zu treten fühlt sich so an, wie in einen riesigen Wäschetrockner zu geraten, der gerade aufgehört hat, sich zu drehen. Eine Wand aus heißer Luft schlägt mir ins Gesicht.
Die Sonne scheint nicht, der Himmel über den gewaltigen Gebäuden ist grau. Aber die Hitze ist schon drückend, obwohl es noch vor neun Uhr ist.
Es ist noch nicht einmal Juli.
Der Juli ist noch Wochen entfernt.
Und nach einem ganzen Juli muss ich noch den ganzen August überstehen, bevor Will wieder zu Hause ist, und mein Leben wieder normal laufen wird.
Ich zünde eine Zigarette an und nehme einen tiefen Zug.
Aus irgendeinem Grund geht es mir trotz der Bauchschmerzen und meinem pochenden Kopf sofort besser.
Allerdings nicht mehr, als ich in der U-Bahn nach Downtown durchgeschüttelt werde.
Ich steige im East Village am Broadway aus, schaue auf die Uhr, und mir wird klar, wie lange Will schon im Zug sitzt. Im Augenblick ist er wahrscheinlich bereits über eine Stunde nördlich von New York City.
Ich stelle mir vor, wie er dasitzt, aus dem Fenster die vorbeiziehende Landschaft betrachtet, und ich frage mich, ob er an mich denkt.
Irgendwie weiß ich, dass er das nicht tut.
Nein, zweifellos denkt er an das, was vor ihm liegt.
Und das sollte ich auch tun.
Jetzt fällt mir auch wieder ein, dass heute der erste Tag auf meinem Weg in ein neues Leben – ein schlankeres Leben – sein soll.
In Butter gebratene Spiegeleier – welch ein Anfang für eine Diät.
Andererseits …
Soll man bei einer Eiweiß-Diät nicht genau so was essen?
Ich beschließe, es zu tun, und lege an Tempo zu, als ich den Lebensmittelladen an der nächsten Ecke sehe. Ich werde mir Protein-Vorräte zulegen und eine kohlehydratarme Diät beginnen.
Im Supermarkt nehme ich den Einkaufskorb.
Und das kaufe ich:
Hotdogs.
Eier.
Speck.
Rinderwürstchen.
Käse – Münster Käse und Monterey Jack, obwohl, soweit ich das beurteilen kann, der einzige Unterschied zwischen den beiden die Dekoration aus Orangen ist. Was
soll
das überhaupt?
In meinem Eiweiß-Kaufrausches will ich sogar eine Packung gefrorene, frittierte Hühnerhälften mitnehmen, aber dann wird mir klar, dass das Eiweiß nicht paniert sein darf. Mist.
Na ja, keine Diät ist perfekt.
Ich zahle meine Einkäufe mit Kreditkarte, weil ich nur noch fünfzehn Dollar Bargeld bis zur nächsten Gehaltsauszahlung übrig habe.
Als ich in meiner stickigen Wohnung ankomme, stelle ich fest, dass sich während meiner Abwesenheit ein unbekannter Geruch entwickelt hat. In Wahrheit ist er nicht unbekannt, denn genau so hat die Wohnung gerochen, als ich sie zum ersten Mal betreten habe. Eine Mischung aus Putzmittel, Katzenpisse und einem vagen Currygeruch. Dazu noch kalter Rauch.
Igitt.
Sofort öffne ich ein Fenster, das auf die Straße geht. Jetzt kann ich zwar atmen, aber andererseits höre ich nun den Lärm einer Jugendlichen, die sich vier Stockwerke tiefer mit ihrem Freund streitet. Sie schreit immerzu Beleidigungen, seine geistlosen Proteste betont er mit
Yo
. Manchmal sind es sogar zwei
Yos
hintereinander, wie zum Beispiel in: „Yo, Yo, das hab ich nie gesagt!“ und „Yo, Yo, mach dich locker, Dumpfbacke.“
Ich gehe davon aus, dass er sie Dumpfbacke nennt, schaue aber vorsichtshalber trotzdem nach unten, um sicherzustellen, dass nicht noch eine weitere Person involviert ist. Eine Schlägerei unter meinem Fenster könnte ich nun wirklich nicht brauchen.
Plötzlich ist alles ganz still. Nun, nicht still natürlich, der übliche New Yorker Lärm ist noch immer zu hören, aber
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