Apartment in Manhattan
kommen kannst. Du bist seit Ostern nicht mehr hier gewesen. Die Jungs vermissen dich.“
„Ich werde es versuchen“, sage ich und werde mit einem Mal von einer Welle Heimweh erfasst. Das liegt daran, dass sie die Jungs, meine Neffen, erwähnt hat. Vince – Vincent Carmine Rizzo Junior, doch Gott sei Dank nennt ihn niemand so – ist vier. Nino ist fast drei. Beide haben lockiges schwarzes Haar, große, dunkle, glänzende Augen und pummelige kleine Körper, und ich bete sie an. Sie springen immer auf mir herum, wollen, dass ich sie herumtrage und überhäufen mich mit Umarmungen und Küssen.
Wenn sie heute hier wären, würde ich mich ohne Will nicht so verlassen fühlen.
„Gut, du solltest alles versuchen, um herzukommen. Wir alle vermissen dich“, sagt meine Schwester.
„Ich versuche es“, wiederhole ich.
Doch diesmal meine ich es wirklich so.
Wir legen auf. Ich trinke noch einen Schluck Wasser … noch immer lauwarm … und verziehe mein Gesicht.
Dann rufe ich Raphael an.
Er und Kate haben bereits Pläne gemacht. Er informiert mich darüber, dass wir alle in ein neues Restaurant zwischen Vierzehnter Straße und Avenue A nicht weit von meinem Apartment gehen werden. Dort wollen wir uns um zwölf Uhr dreißig treffen.
Kurz bevor wir aufhängen, höre ich eine männliche Stimme im Hintergrund. Offenbar hat Raphael die Nacht nicht alleine verbracht. Ich lege den Hörer auf, und während ich zum Herd laufe, um nach meinen Hotdogs zu sehen, frage ich mich, ob er seinen neuen Freund zum Brunch mitbringen wird.
Die Überlegungen über Raphaels Liebesleben lassen mich an Buckley O’Hanlon denken.
Gleichzeitig überkommt mich die verrückte Idee, dass ich, sollte Will mich verlassen, jederzeit mit Buckley ausgehen könnte.
Ich erstarre mitten in der Bewegung.
Was habe ich da gedacht?
Will wird mich nicht verlassen!
Mein Gott, das ist nicht mal entfernt möglich.
Außerdem, sollte Will mich jemals verlassen, dann werde ich ihn nicht einfach ersetzen. Das könnte ich nicht. Er und ich haben diese ganze gemeinsame Geschichte … Diese ganze Zukunft, wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstelle.
Ja, Buckley O’Hanlon ist ein hübscher, verfügbarer Kerl, der mich zufällig geküsst hat.
Ja, ich könnte mich zu so jemandem hingezogen fühlen, wenn es Will nicht gäbe.
Aber Will ist nun mal in meinem Leben, und er wird in meinem Leben bleiben.
Mein Herz beginnt einzig bei dem Gedanken, dass es anders sein könnte, zu schmerzen.
Ich schnappe den Pfannenstiel und wackle ein wenig mit der Pfanne, damit die Hotdogs gleichmäßig in der Butter gebräunt werden. Danach kippe ich sie auf den Teller, begrabe sie unter Ketchup und Senf und schlinge sie herunter.
Erst als ich zehn Minuten später den Teller und die Pfanne abspüle, kommt mir der Gedanke, dass diese Art Ketchup und Senf bei der Diät möglicherweise nicht erlaubt sind. Das hätte ich vorher überprüfen müssen.
Und womöglich hätte ich so kurz nach dem Frühstück und so kurz vor dem Mittagessen nichts essen sollen.
Aber, beginne ich mit meinem missbilligenden zweiten Ich zu argumentieren, ich hatte die Hotdogs doch bereits in die Pfanne getan, und später wären sie ungenießbar gewesen.
Davon abgesehen war ich hungrig. Wie meistens.
Ich nehme mir vor, nur Kaffee zu trinken, während Raphael und Kate essen.
Doch als ich über eine Stunde später von der Avenue B auf die östliche Vierundvierzigste Straße biege, stelle ich fest, dass ich schon wieder Hunger habe. Okay, was soll das? Ich dachte, eine Menge Protein zu essen soll einen länger satt machen, aber offenbar ist das nicht der Fall.
Vielleicht ist diese Eiweiß-Diät doch nicht die beste Idee.
Kate ist schon in dem kleinen Restaurant, als ich ankomme. Sie steht im Eingangsbereich und liest die Kritiken, die an die Wand geheftet sind.
Sie trägt ein blassgelbes ärmelloses Kleid und passende flache Schuhe, ihr blondes Haar hat sie mit einem Clip zurückgesteckt. Sie sieht so aus, als wolle sie ein Gartenfest in Connecticut besuchen und nicht eine schlecht beleuchtete Spelunke, die in dem typisch exzentrischen East-Village-Stil eingerichtet ist.
Die Wände sind dunkelrot gestrichen, der Boden ist schwarz-weiß gestreift, darauf leuchten gelegentlich neonrote Kleckse. Dutzende Mobiles aus gebogenen Bestecken, die mit gelben Fäden an einfachen Drahtbügeln befestigt sind, baumeln von der Decke herab. Sie drehen sich langsam in der warmen Brise der tief hängenden
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