Apfeldiebe
drehte sich um und begann, einen Stein nach dem anderen an der von ihm als Ausgang definierten Stelle wegzunehmen und nach unten zu rollen. Innerhalb weniger Sekunden verschlechterte sich die Sicht, füllte sich der Raum mit aufgewirbeltem Staub. Statt aber aufzuhören zog sich Alex nur das T-Shirt über Mund und Nase und arbeitete weiter. Max aber wusste, wie man diesem sinnlosen Treiben ein Ende machen konnte. Er löschte einfach das Licht, Alex’ Lampe lag für diesen unerreichbar neben Max auf dem Boden.
» He! Spinnst du!« Das Poltern hörte auf. Na also, ging doch. »Mach sofort das Licht wieder an!«
» Und wenn nicht?«
» Verdammt noch mal, hör doch endlich auf, hier den Blödmann zu spielen! Mach die Lampe an und dann komm her und hilf.« Nichts geschah. Alex wollte schon nach unten rutschen und Max ein für alle Mal klarmachen, wer hier der Stärkere war, als ihm ein besserer Gedanke kam. »Wenn du mir hilfst, teile ich nachher mein anderes Brötchen mit dir.«
Es dauerte fast eine Minute, bis Max reagierte. Alex ärgerte sich bereits, dass er von diesem Brötchen erzählt hatte, sah Max schon im Dunkeln nach hinten schleichen und seinen Rucksack durchwühlen, da flammte seine Lampe auf. Max gab sich geschlagen.
» Aber nur eine halbe Stunde. Höchstens. Ich hab jetzt schon Hunger.«
Max warf Alex die Lampe nach oben und kletterte auf einen Brocken von der Größe eines Sackes. Von da aus hielt er sich an einem länglichen aus dem Schutt ragenden Stein fest. Die diesem Zupacken folgende Empfindung und Überlegung, nämlich dass sich dieser Stein überhaupt nicht wie ein Stein anfühlte, befand sich noch in einer Art Warteschleife in Max’ Denken, als ein Teil dieses Steins plötzlich abbrach. Max wedelte mit beiden Armen und als Alex zu seinem Freund leuchtete, sah er diesen gerade noch nach hinten kippen. Max schlug auf den Lehmboden, im selben Moment begann er zu schreien. Alex wollte schon etwas wie Weichei und kann doch gar nicht so schlimm sein sagen, da erkannte er, warum Max schrie. Nicht der Aufprall, kein Schmerz hatte ihn dazu gebracht. Max hielt einen Turnschuh in der Hand. Rufus’ Schuh! Und das, was Max für ein Stück Fels gehalten hatte, ragte jetzt von Schuh und Staub befreit als das, was es war, aus dem Schutt: Rufus’ nackter Fuß!
» Scheiße! Was ist das? Alex, sag mir, was das da ist?!« Max ließ den Schuh fallen, schrie weiter und krabbelte rückwärts vor dem Fund davon. Alex’ Lampe aber leuchtete weder zu ihm noch zu diesem Schuh, sondern auf ein aus dem Fels ragendes Bein. Und jetzt erkannte endlich auch Max, an was er sich da eben noch festgehalten hatte!
18 Mona-Lisa
» Weißt du, Hasso, sie stand plötzlich einfach so vor mir.« Natürlich wusste Hasso, er hatte diese Geschichte bereits Hunderte Male gehört. Und es verging kaum ein Tag, an dem sein alterndes Herrchen sie ihm nicht noch ein weiteres Mal erzählte, wie ein Vergessender, der durch ständiges Wiederholen versucht, dem Vergessen ein Schnippchen zu schlagen. Oder wie ein Vergessender, der sich eben nur noch an diese eine Geschichte aus seinem Leben erinnert.
Kurz nach sechs hantierte Seiler wie jeden Morgen in seiner Küche. Er goss von einem Tauchsieder zum Kochen gebrachtes Wasser in seine Lieblingstasse und warf einen Löffel Pfefferminzblätter dazu.
» Den könnten wir auch mal wieder sauber machen«, sagte Seiler mit Blick auf die Heizspirale, an der eine dicke Kruste klebte. Aber jetzt musste sie erst einmal abkühlen. Und es gab Frühstück, die wichtigste Mahlzeit des Tages. Und die schönste, wie Seiler fand. Frühstück bedeutete, die Nacht hatte ein Ende. Er durfte endlich aufstehen, obwohl Hasso, je älter er wurde, und er zählte inzwischen bereits elf Jahre, diesbezüglich eine ganz andere Meinung vertrat. Nur ungern verließ der Hund seinen warmen Platz vor Seilers Bett, ein Schaffell, welches er sich jeden Abend zu einem Lager zusammenscharrte, sich drei Mal darauf drehte und zuletzt mit einem Geräusch, welches an eine gegen die Wand hämmernde Faust erinnerte, fallen ließ. Sein Herrchen stand nach Meinung des Hundes viel zu früh auf, trotzdem schlappte er hinter ihm her bis zur Toilette, mit hinein durfte er nicht, der Enge wegen.
Von der Toilette ging es in die Küche, wo Seiler zuerst sein Teewasser aufsetzte und sich anschließend am Spülbecken, welches gleichzeitig auch als Waschbecken diente, Gesicht und Oberkörper wusch und den Mund ausspülte. Das Putzen der Zähne
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