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Aphorismen

Aphorismen

Titel: Aphorismen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Talent, das sich im vorigen Jahr im Versicherungskurs der Prager Handelsakademie auch weitern Kreisen zeigte, erfuhr dadurch öffentliche Anerkennung, daß er zum Mitglied der Staatsprüfungskommission ernannt wurde. Wir fassen zusammen: er ist ein Mann, der in allen Gebieten seines Faches sehr nützlich, sehr ausdauernd gearbeitet hat und arbeitet und der mit allen Generationen unserer Zeit in tätiger fachlicher Verbindung lebt.
    Dies alles ist nun natürlich sehr wichtig und stellt Dr. Marschner als Fachmann in ein solches Licht, daß in Böhmen in dieser Hinsicht wohl niemand neben ihn treten dürfte, ohne eine gewisse Kühnheit, fügen wir hinzu.
    Doch angesichts des so verantwortungsvollen, allgemein sichtbaren und über einen so komplizierten Betrieb gesetzten Postens, den Dr. Marschner jetzt erhalten hat, ist förmlich die menschliche Seite seines wissenschaftlichen und sozialen Wirkens noch wichtiger.
    Er hat bisher keinen Schritt getan, der nicht von ehrlicher Sachlichkeit begleitet war; offenes Handeln ist ihm Bedürfnis; seiner selbst gewiß, hat er – darin wohl besonders einzig – keine andere Auszeichnung gesucht als die, welche er in seiner Arbeit gefunden hat; sein einziger Ehrgeiz bestand darin, den Wirkungskreis zu erstreben, in dem er nötig war; seine Unparteilichkeit, seine Gerechtigkeit sind nicht zu beirren, und die Beamtenschaft der Anstalt wird voraussichtlich das Glück zu schätzen wissen, gerade ihn als Vorgesetzten erhalten zu haben; Kenner seiner Schriften, seiner beruflichen Arbeit, seiner Persönlichkeit werden ergriffen von seinem starken und lebhaften Gefühl für die Lage der Arbeiterschaft, die einen eifervollen Freund in ihm hat, der aber immer die Grenzen achten wird, die das Gesetz und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart seinen Bestrebungen in dieser Richtung setzen; er hat nie Versprechungen gemacht, das überläßt er anderen (deren Art so ist, die das brauchen und die endlich genügend Zeit hiezu haben), aber die wirkliche Arbeit, die hat er immer selbst getan, still, ohne die Öffentlichkeit mit Absicht in Bewegung zu bringen und rücksichtslos nur gegen sich; darum hat er wohl auch, abgesehn vielleicht vom wissenschaftlichen Gebiete, keinen Gegner; hätte er welche, es wäre eine traurige Gegnerschaft.
    Daß der Vorstand der Anstalt inmitten verschiedenster Einflüsse nur sachlichen Gründen folgte und damit zu dieser glücklichen Wahl gelangte, dafür gebührt ihm der gemeinsame Dank aller: der Regierung, der Unternehmer, der Arbeiter und der Beamtenschaft.
    Klagen gegen die Anstalt, gerechte und ungerechte, haben sich im Laufe der Jahre aufgehäuft, eines ist jetzt sicher: es wird gute Arbeit geleistet werden, und was innerhalb der heutigen Gesetze an verlangten und nützlichen Reformen möglich ist, es wird geschehn.
(Entwurf zu ›Richard und Samuel‹)
    Samuel kennt wenigstens alle oberflächlichen Absichten und Fähigkeiten Richards durch und durch, da er aber präzis und lückenlos zu denken gewöhnt ist, läßt er sich schon von kleinen, wenigstens nicht vollständig erwarteten Unregelmäßigkeiten in den Äußerungen Richards überraschen und sie geben ihm zu denken. Das für Richard Peinliche seiner Freundschaft besteht darin, daß Samuel eine nicht öffentlich ausgesprochene Unterstützung niemals braucht, daher auch eine Unterstützung von seiner Seite schon aus Gerechtigkeitssinn niemals fühlen lassen will und infolgedessen keine Unterordnung in der Freundschaft duldet. Sein unbewußter Grundsatz ist, daß das, was man am Freund zum Beispiel bewundert, nicht eigentlich am Freund, sondern am Mitmenschen bewundert werde und die Freundschaft also schon dort tief unten unter allen Unterschieden anfangen müsse. Dieses kränkt nun Richard, der sich oft gern Samuel ergeben würde, der oft Lust hat, ihm begreiflich zu machen, ein wie ausgezeichneter Mensch er ist, der aber damit nur dann anfangen könnte, wenn er die Erlaubnis voraussähe, niemals damit aufhören zu müssen. Immerhin zieht er aus diesem von Samuel ihm aufgedrungenen Verhältnis den fraglichen Vorteil, im Bewußtsein seiner bisher äußerlich bewahrten Unabhängigkeit sich über Samuel zu erheben, ihn klein werden zu sehn und allerdings nur innerlich Forderungen an ihn zu stellen, während er sonst Samuel gern gebeten hätte, sie gegen ihn zu richten. So hat zum Beispiel das Bedürfnis Samuels nach dem Gelde Richards wenigstens für sein Bewußtsein nichts mit ihrer Freundschaft zu

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