Apocalypsis 1 (DEU)
Peter.
»Vielleicht das Gleiche wie wir, Darling – Antworten.«
Loretta tippte auf das Spiralsymbol.
»Hast du sonst noch etwas?«
»Ich finde, das ist schon eine ganze Menge für den Anfang. Peter, ich hab keine Ahnung, wie das alles zusammenhängt, aber ich bin sicher, dass dieses Zeichen eine Spur ist. Es wird uns zum Papst führen und zu ein paar Antworten. Jetzt bist du dran.«
Peter hatte den römischen Nachmittag immer geliebt. Die Zeit nach dem pranzo , dem ausgedehnten Mittagessen, wenn man sich hinter heruntergelassenen Jalousien zu einem kleinen Schläfchen zurückzog. Zwischen eins und vier veränderte sich der Pulsschlag der Stadt, viele Geschäfte blieben mittags ohnehin geschlossen, und die wenigen Römer, die man zu dieser Tageszeit auf der Straße antraf, wirkten ruhiger und zufriedener, weil sie gut gegessen hatten. Oder mürrischer, weil sie ihr Schläfchen ausfallen lassen mussten.
Inzwischen fürchtete Peter den Nachmittag jedoch, denn es war die Zeit des Ungeheuers. Das Ungeheuer, das irgendwo im Verborgenen auf ihn lauerte, bereit, jederzeit zuzuschlagen und ihn langsam und qualvoll zu verdauen. Und der Nachmittag war seine bevorzugte Jagdzeit.
Er lag vollständig bekleidet auf dem Doppelbett seines abgedunkelten Hotelzimmers und erwartete die Migräne. Wie es aussah, würde sie ihn diesmal verschonen. Das Schlimmste an der Migräne neben den Schmerzen und der Agonie war die Hilflosigkeit, ihr unvermittelt und ohne Vorwarnung ausgeliefert zu sein. Die Attacken dauerten meist nicht länger als ein paar Stunden, ließen ihn aber wie ausgetrocknet zurück, ohne Erinnerung. Er wünschte sich die Zeiten zurück, als er mit Ellen noch die Nachmittagsstunden zelebriert hatte. Als er noch schlafen konnte.
Ein Anruf bei seinen Adoptiveltern war schon seit einiger Zeit überfällig, aber Peter konnte sich nicht darauf konzentrieren. Etwas anderes ließ ihm keine Ruhe. Er beobachtete das Ballett der Lichtreflexe, die durch die Lamellen der Jalousie an der Zimmerdecke tanzten, und versuchte, sich zu erinnern, wo er das Spiralsymbol schon einmal gesehen hatte. Es war lange her, sehr lange, so viel war ihm klar. Doch immer, wenn er mit dem Symbol in seiner Erinnerung zurückzugehen versuchte, verschwamm das Bild. Er war immer stolz auf sein fast fotografisches Gedächtnis gewesen, umso mehr beunruhigte ihn diese hartnäckige Erinnerungslücke.
Der Verkehrslärm draußen schwoll wieder zu seiner normalen Lautstärke an. Zeit, sich wieder an die Arbeit zu machen. Er musste noch einen Artikel schreiben.
Das Hotel Le Finestre sul Vaticano war zwar nur ein äußerst mittelmäßiges Bed and Breakfast, aber es hatte, wie sein Name schon großspurig posaunte, einen direkten Blick auf den Vatikan und den Petersdom. Es lag an der Via Conciliazione, einem breiten Boulevard, von Mussolini in das Herz der Stadt gefräst, der von Osten schnurgerade auf den Petersdom zulief. Peter hätte sich lieber in sein Lieblingshotel, dem Albergo Santa Chiara am Pantheon einquartiert, aber sein Redaktionsleiter hatte für die Berichterstattung über das Konklave auf einem Hotel mit Blick auf den Petersdom bestanden.
Peter erhob sich vom Bett und warf einen Blick aus dem Fenster. Nur einige hundert Meter entfernt lag der Petersdom und dahinter das Dach der Sixtinischen Kapelle mit Michelangelos berühmtem Deckenfresko. Der Petersplatz hatte sich wieder mit Menschen gefüllt, die auf irgendein Zeichen zu hoffen schienen, auf irgendeine Art von Erklärung für das Unerhörte. Oder einfach nur auf eine weitere Sensation.
Zurück am Schreibtisch konzentrierte Peter sich auf seinen Artikel über das Finanzwesen des Vatikans. Die Vatikanbank veröffentlichte weder Zahlen noch Bilanzen. Bekannt war nur, dass der Haushalt des Vatikanstaates einen Umfang von etwa zweihundertfünfzig Millionen Euro hatte. Den größten Teil des Haushaltes verschlangen die Gehälter und Pensionen für die fast dreitausend Angestellten des kleinen Stadtstaates. Das Geld stammte aus Immobilienerlösen, Spenden und von den Diözesen und Ordenshäusern in aller Welt. Den Rest von fünfzig Millionen Euro schoss die Vatikanbank hinzu.
Tatsächlich aber wurde das Vermögen der katholischen Kirche weltweit auf irgendwas zwischen zehn und hundert Milliarden Euro geschätzt. Allein die reichsten Diözesen Köln und Chicago hatten jährliche Einnahmen von jeweils einer halben Milliarde Euro.
Ende der siebziger Jahre war das IOR, das Istituto per le Opere di
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