Apocalypsis 1 (DEU)
Papstes werde ich zukünftig weder Interviews geben noch mich öffentlich äußern oder auftreten. Ich bitte euch, liebe Brüder und Schwestern, dies zu respektieren und mir zu vergeben.
Der Herr sei mit euch.
IX
Courier Online, 9. Mai 2011
IRRITIERENDE VIDEOBOTSCHAFT DES EX-PAPSTES
Autor: Peter Adam
R om. Per Videobotschaft hat sich heute überraschend der vor einer Woche zurückgetretene Papst Johannes Paul III. gemeldet und eine kurze Erklärung abgegeben. Das etwa vierminütige Video, das heute Morgen per E-Mail bei Radio Vaticano einging, wurde umgehend vom staatlichen italienischen Fernsehen ausgestrahlt und ins Internet gestellt. Innerhalb weniger Stunden hatte es bereits Rang 3 bei Youtube erreicht. Man sieht Ex-Papst Franz Laurenz in schlichter Pfarrerskleidung an einem Schreibtisch. Hinter ihm sind nur ein Holzkreuz und ein Fenster zu erkennen. Der genaue Aufenthaltsort des ehemaligen Papstes bleibt also weiterhin unklar. Die alten Mauern im Bildhintergrund nähren allerdings Vermutungen, dass sich Franz Laurenz in einem Kloster auf italienischem Hoheitsgebiet aufhält.
Franz Laurenz wirkt in dem kurzen Video körperlich gesund und spricht frei und auf Italienisch in die Kamera. Er widerspricht Vermutungen, die in den vergangenen Tagen durch die Presse gingen, dass er gegen seinen Willen festgehalten werde. Viel mehr erfährt man jedoch nicht. Franz Laurenz gibt keine plausible Erklärung für seinen Rücktritt ab. Im Gegenteil, die Ansprache wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. Unklar, umständlich und widersprüchlich in der Wortwahl ist sie eher geeignet, die Gerüchte über die angebliche Geisteskrankheit des Ex-Papstes zu schüren. Anderen Gerüchten zufolge soll der Papst zurückgetreten sein, um der Enthüllung einer langjährigen Liebesbeziehung zu seiner Vertrauten Sophia Eichner zuvorzukommen. Sophia Eichner ist seit dem Rücktritt des Papstes spurlos verschwunden. Aber auch hierzu liefert Laurenz keinerlei Erklärung, sondern irritiert die Gläubigen in aller Welt nur mit salbungsvollem Sermon, den man von Papst Johannes Paul III. nicht gewohnt war. Vermutlich werden nun Verschwörungstheorien grassieren. Was übrig bleibt, ist ein schaler Geschmack kurz vor dem Konklave. Der Vatikan ist gut beraten, Klarheit in die Causa Laurenz zu bringen, wenn er nicht nachhaltigen Schaden für die Kirche in Kauf nehmen will.
X
9. Mai 2011, Rom
K urz nachdem Peter Adam den Artikel an die Redaktion in Hamburg gemailt hatte, verließ er das Hotel und ging zu Fuß zum Vatikan. Die Bewegung und die milde Frühlingsluft hoben augenblicklich seine Stimmung. Schließlich war er immer noch in Rom, der ewigen Stadt, der Stadt, die er liebte. Das überraschend in den Morgennachrichten von RAI I aufgetauchte Video hatte ihm wenig Zeit gelassen, über seinen Traum der letzten Nacht nachzudenken. Er war irgendwann nackt auf dem Boden seines Hotelzimmers aufgewacht, hatte sich frierend und stöhnend aufgerichtet und versucht, sich zu erinnern. Viel kam normalerweise nicht dabei heraus, nur, dass es immer Träume von Enge und Dunkelheit und vom Ertrinken waren, die ihn seit einigen Jahren verfolgten. Peter wusste genau, warum. Er wusste, dass er aufpassen musste.
Diesmal jedoch erinnerte er sich auch an wirre Bilder von der Zerstörung des Petersdoms und des gesamten Vatikans. Und überraschend deutlich an den genauen Wortlaut einer tränenerstickten Reporterstimme aus dem Radio.
Peter versuchte, die Gedanken an diesen Traum zu verdrängen und sich auf sein Gespräch mit Don Luigi zu konzentrieren. Er hielt Träume ohnehin für eine Art Verdauungsprozess des Gehirns. Je absurder und angstvoller die Träume, desto klarer nachher der Verstand.
Das Klingeln seines Handys schreckte ihn auf. Fast erleichtert verschob er den Anruf diesmal nicht auf die Mailbox.
»Loretta! Ich wollte dich gerade anrufen.«
»Lüg mich nicht an.« Ihre Stimme klang verärgert. »Warum rufst du mich nicht zurück?«
»Ich musste noch einen Artikel schreiben.«
»Was hältst du von der ganzen Sache?«
»Du meinst dieses Video? Seltsam. Äußerst seltsam.« Peter ging weiter in Richtung Petersdom. »Ich glaube, er verscheißert uns alle.«
»Treffender hätte ich es nicht ausdrücken können«, antwortete Loretta zynisch. »Die Redaktion hat das Video ein wenig analysiert. Im Hintergrund sind durch das Fenster Zypressen zu sehen. Ich sage dir, er ist noch hier irgendwo in der Nähe.«
»Was willst du, Loretta?«
»Wann stellst
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