Apocalypsis 3.02 (DEU): Point Nemo. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)
das? Wir müssen es der Polizei melden. Da läuft ein Irrer durch den Ort. Wer weiß, wo er sonst noch zugeschlagen hat oder zuschlagen wird.«
»Ich sagte, lass es, Ellen. Keine Polizei. Wir packen ein paar Sachen, gehen was trinken, um uns zu beruhigen, dann holen wir Maya ab und nehmen uns ein Motel für ein paar Tage. Wir sagen, es ist ein Wasserschaden. Ich kümmere mich um alles, ich bringe das hier wieder in Ordnung. Aber wir werden niemandem davon erzählen, hörst du?«
Sie starrte ihn an wie einen Fremden. »Was? … Warum?«
Peter würgte die Angst herunter.
»Weil ich glaube – sieh mich an, Ellen! … Weil ich glaube, dass ich das war.«
IX
17. Juli 2011, Apostolischer Palast, Vatikanstadt
S ie würden alle kommen, sie waren schon unterwegs. Franz Laurenz stellte sich alte Männer vor, die first class flogen, aufgelöste Hausangestellte beim Packen der Koffer eines Kardinals, dem die Verzweiflung und die Ahnung vom Untergang seiner Kirche ins Gesicht geschrieben standen. Laurenz kannte die meisten von ihnen persönlich, viele hatten ihn vor sechs Jahren noch zum Papst gewählt. Er rief sie sich alle nacheinander vor Augen, ihre Namen, ihre Gesichter, ihren Einfluss. Keiner der Kardinäle unter achtzig würde jetzt noch eine Einladung nach Rom brauchen. Die Fernsehbilder von Petrus II., wie er Edward Kelly erschoss, tosten um die Welt wie ein gigantischer, alles vernichtender Sturm und fegten ins Zentrum ihrer sinkenden Kirche. Franz Laurenz rechnete damit, dass sämtliche Kardinäle, die reisefähig und zur Papstwahl berechtigt waren, spätestens in zwei Tagen in Rom eingetroffen sein würden, je nachdem, von welchem Ende der Welt sie anreisten. Die Kardinäle waren die zweite Welle, der er sich stellen musste. Die erste Welle jedoch würde ihn bereits in wenigen Minuten treffen, eine Welle aus kurialer Nomenklatura, Journalisten, Geheimdienstlern, E-Mails und Anrufen von Staatschefs, Kriminalbeamten, Ärzten und möglicherweise sogar Killern. Ein Tsunami aus Verzweiflung, Wut und Fragen. Nur wenn er diese erste Welle in den nächsten Stunden überstand, konnte der Plan aufgehen. Nur dann hatte er eine Chance, die Apokalypse und die Vernichtung seiner Kirche noch aufzuhalten.
Es war jetzt still in der Bibliothek. Die dicken, jahrhundertealten Mauern des Apostolischen Palastes schirmten ihn vom Tumult auf dem Petersplatz ab. Laurenz warf einen Blick in den Innenhof. Kein Mensch zu sehen. Über ihm wurde der Himmel fahl, der Abend legte sich drückend über die Ewige Stadt, ohne Abkühlung oder den kleinsten Windhauch zu bringen. Laurenz wandte sich um und warf einen Blick auf die Leiche des Papstes in seinem großen Lesesessel. Petrus II. hatte die Hände gefaltet, die Augen geschlossen, wirkte gesammelt und erlöst, geradezu heiter. Ganz anders als im Leben. Vor allem um Jahrzehnte gealtert. Laurenz hätte gerne Sophia angerufen oder Maria, aber das ging nicht. Er war jetzt allein.
Aber nicht vollkommen allein.
Er sank auf die Knie, faltete seine massigen Hände, sprach ein Vaterunser und dann mit klarer Stimme Psalm 118. Ein alter Psalm aus talmudischer Zeit, der vermutlich auch von Jesus Christus am Sederabend vor Pessach, nach dem letzten Abendmahl, gesungen wurde.
Alle Völker umringen mich,
aber im Namen des Herrn wehre ich sie ab.
Sie umringen mich, ja, sie umringen mich,
aber im Namen des Herrn wehre ich sie ab.
Sie umschwirren mich wie die Bienen,
wie Strohfeuer verlöschen sie,
aber im Namen des Herrn wehre ich sie ab.
Sie stießen mich hart, sie wollten mich stürzen,
aber der Herr hat mir geholfen.
Der Herr ist meine Macht und mein Psalm und mein Heil.
Man singt mit Freuden vom Sieg in den Zelten der
Gerechten. Die Rechte des Herrn wirkt mit Macht,
die Rechte des Herrn ist erhoben,
die Rechte des Herrn wirkt mit Macht.
Ich werde nicht sterben,
sondern leben um das Werk des Herrn zu verkünden.
Danach erhob er sich, zeichnete dem Toten im Sessel das Kreuzzeichen auf die Stirn, zog ein Handy aus seinem Aktenkoffer und wählte eine Nummer.
»Hier ist Franz Laurenz«, sagte er auf Latein, als am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde. »Wir müssen reden, Bischof Santillana.«
Einen Moment genoss er die Überraschung des Prälaten des Opus Dei, der neben Kardinal Menendez sein größter Feind gewesen war.
»Wann und wo?«, fragte Santillana heiser und mit leichtem kastilischem Akzent zurück.
»In einer halben Stunde in der Viale Bruno Buozzi.«
»Das
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