Applaus für eine Leiche
haben sie giftdurchtränkte Hemden erfunden. Man mußte sie nur ein paar Stunden tragen, und schon war man die Sorge um ihre Reinigung los! Sie besaßen Ringe mit Giftstacheln, die bei einem herzlichen Händedruck den Gast ins Jenseits beförderten...“
„Aber, aber, Doktor!“ unterbrach ich seine Fallbeispiele. „Sie wollen uns doch nicht weismachen, daß Favereau auf diese Weise umgebracht wurde! Erstens war er nicht so beliebt, daß ihm jemand freiwillig die Hand gegeben hätte, und zweitens war er seinerseits so mißtrauisch, daß er eine ausgestreckte Hand nicht ergriffen hätte.“
Fremde Scherze liebte der Doktor nicht. Er verzog keine Miene.
„Ich wollte Ihnen lediglich darlegen“, sagte er spitz, „wie raffiniert diese Italiener waren. Sie hatten auch ganz spezielle Parfüms, und es scheint, als hätte man so etwas im Fall Favereau verwendet. An seinen Nasenwänden sind leichte Hautverletzungen festzustellen, Spuren einer Inhalation. Er muß ein ungemein feines Gift eingeatmet haben, über dessen Zusammensetzung die Autopsie Auskunft geben wird. Ein langsam, aber sicher wirkendes Gift. Ein richtiger Coup ä la Borgia eben! Auf so etwas können nur Leute vom Film oder vom Theater kommen...“
Petit-Martin beugte sich wieder über die Leiche und musterte das blaugefleckte Gesicht.
„Man könnte das Gift unter die Schminke gemischt haben, nicht wahr? Von der Oberlippe wäre es dann in die Nase gelangt.“
„Oder unter die Vaseline, die er zum Abschminken benutzte.“
„Wenn es sich um ein langsam wirkendes Gift handelt“, gab ich zu bedenken, „dann wurde es wohl eher unter das Make-up gemischt. Als er starb, hatte er sich gerade abgeschminkt.“
„Von dem Make-up ist nichts mehr übrig. Nur in den Döschen und in dem Schwämmchen, mit dem er sich abgeschminkt hat. Sie sollten den ganzen Kram ins Labor mitnehmen, Doktor.“
„Natürlich. Doch es gibt sechsunddreißigtausend andere Methoden, um jemanden Gift inhalieren zu lassen. Zum Beispiel kann man es zerstäuben.“
„So wie man Fliegen tötet?“ ereiferte sich Marc Covet.
„Genau. Oder man hat sein Taschentuch besprüht. Was weiß ich? In einem Blumenstrauß
„Das scheidet aus, genauso wie eine ausgestreckte Hand“, entschied Kommissar Petit-Martin. „Monsieur Burma hat eben den Grund dafür genannt. Favereau hätte solch ein Geschenk nicht angenommen. Und außerdem sehe ich hier keine Blumen.“
„Vergessen Sie nicht, es handelt sich um ein langsam wirkendes Gift.“
„Wir werden es rauskriegen.“
„Apropos Vaseline“, meldete ich mich zu Wort, „Monsieur Covet und ich würden ganz gerne wieder unsere natürliche Gesichtsfarbe annehmen. Auch wenn Edwige Feuillere das Zeug immer zentimeterdick aufträgt, uns beiden steht das nicht besonders. Wenn Sie uns vielleicht für einen Moment entbehren könnten, Kommissar, würden wir uns lieber wieder zurückverwandeln.“
„Nur zu“, ermunterte uns Petit-Martin, „aber seien Sie vorsichtig bei der Wahl der Abschminkcreme! Eine Leiche pro Tag genügt mir vollkommen.“
Der Gerichtsmediziner bekam einen gierigen Blick.
„Wenn das so ist“, sagte er grinsend, „dann bleibe ich noch ein wenig hier. Einen Journalisten und einen Privatdetektiv hatte ich noch nicht in meiner Praxis! Man sagt, an denen sei was dran...“
„Bis gleich“, verabschiedete ich mich und flüchtete aus der Künstlergarderobe.
Marc Covet folgte mir. Vor de r Tür war es jetzt ruhiger geworden. Der Wachposten hatte die Neugierigen verjagt. Ich ging nach rechts.
„Die Räume zum Abschminken...“ begann der Journalist überrascht.
Ich musterte ihn mitleidig.
„Ich hätte Sie für schlauer gehalten“, sagte ich. „Mein beschmiertes Gesicht ist mir doch völlig egal. Im Moment jedenfalls. Vielleicht können wir gleich noch das Rotkäppchen erschrecken... Jetzt will ich erst mal zum Drehort, auf die Szene. Wenn wir Glück haben, stehen die Rosen noch auf der Kommode.“
„Die Ro...“
Marc Covet blieb der Mund offenstehen. Ich hatte fünf Meter Vorsprung. Mein neuer Freund benötigte zwei Sekunden, um ihn aufzuholen.
Akustischer Effekt und Wundertüte
Auf der Szene befanden sich noch ebenso viele Leute wie vorher, doch die Stimmung war gedrückt, um nicht zu sagen, auf den Nullpunkt gesunken. Die Innenaufnahmen waren unterbrochen worden. Der Rokokosalon strahlte eine unendliche Tristesse aus. Der Dicke, den ich schon in Favereaus Garderobe gesehen hatte, sprach mit Marcel Naudot,
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