Applaus für eine Leiche
umringt von dem gesamten Aufnahmestab. Die Szene hätte heißen können: Nach dem Tod des Solisten packt das Orchester die Instrumente ein.
Der Rosenstrauß stand weder auf der Kommode noch sonstwo. Ohne den sicheren Blick eines Skriptgirls zu besitzen, konnte ich feststellen, daß auch noch andere Requisiten verschwunden waren.
Ich ging auf den Regisseur zu und fragte ihn unvermittelt:
„Wo ist der Strauß?“
„Der Strauß?“ stieß er theatralisch hervor.
Er hatte seine liebenswürdig-zurückhaltende Art aufgegeben und spielte jetzt den traditionellen Regisseur.
„Der Strauß?“ wiederholte er. „Das ist doch die Höhe! Seit wann kümmern sich Statisten um die Requisiten?“
Ich reichte ihm meine Visitenkarte.
„Statisten wie ich werden übertariflich bezahlt“, sagte ich. „Ich bin Privatdetektiv, bis vor kurzem noch in Favereaus Diensten.“
„Ach, Sie sind der Schnüffler? Favereau war ja ganz schön dreist. Einen Flic ins Studio einzuschleusen...“
„Darüber reden wir später. Wo sind die verdammten Rosen?“
Naudot beachtete meine Frage immer noch nicht, sondern fuhr fort, mich anzuschnauzen. Auch der Dicke gab seinen Senf dazu, bis jemand, der meinen autoritären Ton ernst nahm, mich informierte:
„Der Requisiteur hat die Blumen weggebracht.“
„Los, Covet, kommen Sie!“
Wir ließen die Gruppe stehen und eilten zur Requisitenkammer. Gerade, als wir sie betreten wollten, hörten wir ein dumpfes Geräusch.
Wir sahen uns an.
Kein Zweifel!
Soeben war ein Schuß gefallen.
* * *
Die Tür öffnete sich. Der kleine, kahlköpfige Requisiteur kam auf wackligen Beinen heraus, beide Hände auf den Bauch gepreßt. Sein Gesicht war blaß und sein Blick benommen. Weniger allerdings als der eines anderen, der hinter ihm auftauchte. Er hatte den Mund sperrangelweit aufgerissen, und seine tellergroßen Kulleraugen sahen nicht, wie der Verwundete vor ihm das Gleichgewicht verlor und stöhnend zu Boden stürzte. Seine Augen starrten nämlich auf etwas anderes... auf den Revolver in seiner Hand! Völlig fassungslos, so als hätte er so ein Ding noch nie gesehen.
„Gut, daß der Doktor noch nicht fortgegangen ist“, bemerkte ich, nachdem sich unsere Überraschung ein wenig gelegt hatte. „Holen Sie ihn.“
Der Journalist rannte zurück, und ich rannte in die Requisitenkammer. Das Gerümpel hätte einem Flohmarkt Konkurrenz machen können, aber nicht einem Blumenmarkt.
„Wo sind die Rosen?“ schrie ich den Kerl mit dem Revolver an. Er lehnte am Türrahmen und war nahe daran, die Augen zu verdrehen und in Ohnmacht zu fallen. Als er meine Frage endlich begriffen hatte, hielt er sie für überflüssig.
„Die Rosen?“ fragte er verständnislos zurück. „Ogottogott!“
Er hatte nur Augen für seine Kanone.
„Gib mal her“, befahl ich. „Ohne das Schießeisen wird’s dir sofort besser gehen.“
Er ließ sich widerstandslos entwaffnen. Ich untersuchte das Magazin der Browning. Es war leer. Wenn der Requisiteur den gesamten Inhalt abgekriegt hatte, konnte man ihn getrost zu dem Kram in der Rumpelkammer legen. Aber wir hatten doch nur einen einzigen Knall gehört! Ich wollte gerade den Revolverhelden aus seiner Erstarrung lösen, um ihn ein paar gezielte Fragen zu stellen. In diesem Augenblick kam Marc Covet zurück, gefolgt von dem Kommissar, dem Inspektor und dem Arzt.
„Und?“ rief Petit-Martin mir entgegen.
„Und? Also, ich glaube, mein Einstieg ins Berufsleben kann als gelungen bezeichnet werden. Wenn das bis zur Pensions grenze so weitergeht, kann man für die Menschheit nur noch beten.“
„Hören Sie endlich auf mit Ihrem Gequatsche“, knurrte der Kommissar, jetzt wirklich im Ernst. „Sagen Sie mir lieber, was passiert ist.“
„Das fragen Sie am besten den Herrn dort... wenn er sich wieder erholt hat. Hier ist die Tatwaffe. Wie geht’s Ihrem neuen Klienten, Doktor?“
„Er wird’s überleben“, urteilte der Gerichtsmediziner. „Bauchschüsse sind immer gefährlich, aber ich glaube, er kommt durch. Ich werd ihn ins Hospital bringen lassen...“
Ein dumpfes Geräusch.
„Noch einer!“ rief der Arzt fröhlich.
Der Mann am Türrahmen war aus den Latschen gekippt.
„Während Sie ihn wieder zum Leben erwecken“, sagte ich, „gehen wir jetzt endlich zum Abschminken.“
„Apropos“, schaltete sich der Kommissar ein, „was tun Sie eigentlich hier? Ich sehe weit und breit keinen Raum, der fürs Abschminken vorgesehen ist.“
Ich lächelte.
„Seien Sie
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