Applaus für eine Leiche
und weniger lustig war es...
Marie saß wie erschlagen auf einem Stuhl. Fragte sich wohl mehr und mehr, ob das noch der richtige Film sei.
Ein dickbäuchiger Kerl fragte sich das erst gar nicht. Es war der Produzent, Kommanditist oder Studiodirektor. Die unvorhergesehene Szene schien ihn nicht sonderlich zu bewegen. Sein Blick ruhte mitleidlos, beinahe ärgerlich auf dem Toten. Ich wußte nicht, ob Favereau ihm zu Lebzeiten übel mitgespielt hatte; aber das plötzliche Hinscheiden des Stars paßte ihm ganz und gar nicht in den Kram.
Die beiden anderen Personen sahen nicht unbedingt wie Flics aus. Doch wenn sie mich in einem entsprechenden Ton aufgefordert hätten, meine Papiere vorzuzeigen, wäre ich der Aufforderung sofort nachgekommen. Irgend etwas in ihrer Gesamthaltung deutete darauf hin, daß sie dazu das Recht besaßen. Und tatsächlich: Es waren der Kommissar der Kripo und ein Inspektor.
Marc Covet war mit mir zusammen dem Uniformierten gefolgt, und dieser hatte keinen Grund gefunden, ihm das zu verwehren. Als der Journalist den hohen Beamten sah, rief er hocherfreut:
„Sieh an, Monsieur Petit-Martin!“
Der Angesprochene warf ihm einen erstaunten Blick zu. Covet stellte sich vor und beschwor gemeinsame Erinnerungen herauf. Sie hätten beruflich zusammengearbeitet, hervorragend zusammengearbeitet... Petit-Martin erinnerte sich und stimmte zu. Ich erwartete, daß er den Journalisten nach dieser Katzbuckelei rausschmeißen würde. Doch er sagte, ganz im Gegenteil, in freundschaftlichem Ton:
„Sie treiben sich wohl überall rum, was? Freut mich, Sie zu sehen. Aber eigentlich will ich mit einem gewissen Nestor Burma sprechen. Ist das etwa einer Ihrer Decknamen?“
„Ich bin Nestor Burma“, meldete ich mich zu Wort. „Auch wenn mein Gesicht eher zu einem Ex-Sträfling paßt, was an dem Make-up liegt. Und das wiederum liegt an Monsieur Favereau. Wenn ich die Farbe abkratze, gleiche ich zwar immer noch nicht einem Unschuldsengel, aber mein Äußeres wirkt dann bestimmt weniger furchteinflößend. Im Moment müssen Sie mich nehmen, so wie ich bin. Ich bitte Sie nur, mich Ihren ungünstigen Eindruck nicht zu sehr spüren zu lassen.“
„Jedenfalls sind Sie ein lustiger Vogel“, entgegnete der Kommissar lächelnd. „Sind Sie Privatdetektiv oder fliegender Händler?“
„Privatdetektiv“, gab ich Auskunft, „aber trotz meines Aussehens respektiere ich das Gesetz, daß es einem schon leid tun kann. Vielleicht liegt das daran, daß ich erst seit kurzem im Geschäft bin.“
„Bestimmt“, knurrte der Inspektor.
„Das ändert sich mit der Zeit“, prophezeite sein Vorgesetzter.
„Hoffentlich. Bis zu jenem glücklichen Tag spiel ich jedoch den gewissenhaften Staatsbürger. Der Beweis: Ich war’s, der Sie benachrichtigt hat.“
„Ach ja? Danke, vielen Dank...“
Er gab dem Uniformierten ein Zeichen, woraufhin dieser die Garderobiere und den wortkargen Dicken hinausbrachte. Marc Covet machte sich ganz klein, aber der Kommissar hatte anscheinend nichts gegen seine Anwesenheit einzuwenden. Petit-Martin wußte, was er der Presse schuldig war. So blieben wir also zu dritt bei der Leiche.
„Sie waren dabei, als Monsieur Favereau starb?“ fragte mich der Kommissar.
„Ja. Und ich habe sofort gewußt, daß ein Mord geschehen war. Falls Sie wissen möchten, warum... Aber Sie kennen ja die Anzeichen einer Vergiftung. Ich habe Marie gebeten, den Verantwortlichen des Studios zu benachrichtigen, und dann habe ich Sie angerufen. Danach bin ich in die Kantine gegangen, wo mich Ihr Untergebener gefunden hat. Ich hätte natürlich auch bei der Leiche auf Sie warten können — Favereau ist besser tot als lebendig zu ertragen aber erstens gibt es in der Kantine was zu trinken, und zweitens ist die Kellnerin... Also, eine Kellnerin ist das... Mehr brauche ich nicht zu sagen, Sie verstehen schon..
„Vollkommen. Vor allem verstehe ich eins: Sie haben eine große Zukunft vor sich, Monsieur Burma! So neu im Geschäft, und schon kennen Sie den wichtigsten Trick Ihrer Zunft. Besser reden auch Ihre in Ehren ergrauten Kollegen nicht um den heißen Brei herum. Viel reden und wenig sagen, das ist die Losung. Eine Wissenschaft für sich. Würden Sie bitte damit aufhören? Mir wären nämlich ernsthafte Informationen lieber.“
„Ich stehe zu Ihrer Verfügung.“
„Favereau war also unerträglich, sagen Sie?“
„Zu Lebzeiten, ja. Ich brauchte keine zwei Stunden, um mir ein Bild von seiner Unbeliebtheit zu machen.
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