Aprilgewitter
Anton her und fand sich kurz darauf in einem mit roten Teppichen und Vorhängen ausgestatteten Salon wieder, in dem bequeme Fauteuils, Ottomanen und andere Sitzgelegenheiten für die Gäste bereitstanden.
Grünfelder achtete jedoch kaum auf die Möblierung, sondern starrte auf die Bilder an der Wand. Diese zeigten griechische Göttinnen in durchsichtigen Kleidern und lasziven Posen so lebensecht, als wollten sie aus ihrem Rahmen heraussteigen und die Ankömmlinge umarmen.
Fridolin ließ den Blick über die Gäste schweifen. Ein paar von ihnen kannte er von seinem letzten Aufenthalt in Berlin, wie den Industriellen Rendlinger und zwei der Offiziere, die zusammen Karten spielten, während drei hübsche Mädchen in der Nähe darauf warteten, diese in die Separees führen zu dürfen. Andere junge Frauen hoben bei ihrem Eintritt den Kopf und blickten Grünfelder und ihm interessiert entgegen.
Von den Mädchen, die vor fünf Jahren hier gearbeitet hatten, entdeckte Fridolin keine. Allerdings kam ihm eine der Neuen bekannt vor, ohne dass er sie einordnen konnte. Sie war keine Schönheit, sondern nur leidlich hübsch und ihrem Kleid nach eine der nachrangigen Huren.
»Darf ich die Herren im
Le Plaisir
begrüßen!« Eine dunkle, angenehme Frauenstimme klang hinter ihnen auf, und Grünfelder und Fridolin drehten sich um.
Hede Pfefferkorn musste inzwischen die dreißig überschritten haben, zählte aber immer noch zu den schönsten Frauen, die Fridolin je gesehen hatte. Im Gegensatz zu ihren Mädchen, die in aufreizenden Kleidern steckten, trug sie ein hochgeschlossenes Kostüm mit einer langen, auf Figur gearbeiteten Jacke und einem bis zu den Waden reichenden Überrock. Niemand, der sie so auf der Straße sah, würde sie für die Besitzerin eines Bordells halten.
Während Fridolin Hede musterte, raffte Grünfelder all seinen Mut zusammen. »Guten Abend. Wir sind wegen der schönen Frauen gekommen, müssen Sie wissen.«
Ein amüsierter Ausdruck huschte über Hedes Gesicht. »In mein Haus kommen die Herren im Allgemeinen wegen der schönen Frauen. Doch eines sollten Sie wissen: Wir sind kein ordinäres Bordell, sondern ein eleganter Club, in dem Herren, die sich ins Clubbuch eintragen, auf angenehme Weise Entspannung finden.«
»Was hat es mit diesem Buch auf sich?«, fragte Grünfelder mit wachsendem Misstrauen.
»Sobald die Herren ihre Namen eingetragen haben, zählen sie zu den Clubmitgliedern des
Le Plaisir
und können hier verkehren.«
»Aber was ist, wenn man seinen Namen nicht öffentlich machen will?«, wandte Grünfelder ein.
»Dann schreiben Sie einen Aliasnamen hin. Es geht nur darum, dass ein Name im Buch steht. So hat alles seine Ordnung, und die Behörden sind zufrieden.« Hedes leicht gelangweiltem Tonfall zufolge musste sie diesen Vortrag sehr oft halten, dachte Fridolin.
Eine junge, blonde Frau in einem grünen Kleid, das tiefe Einblicke in ihr Dekolleté bot, brachte ein in rotes Leder gebundenes Buch und einen Patentschreiber und reichte beides Hede.
»Wenn die Herren so gut wären«, sagte diese und schlug die Seite auf, auf der Grünfelder und Fridolin sich eintragen sollten.
Der Bankier nahm den Schreibstift, benetzte kurz die Lippen mit der Zunge und brachte dann den Namen Blauwald zu Papier. Fridolin amüsierte sich über die Phantasie seines Vorgesetzten, der bei seinem Namen die Farbe geändert und aus einem Feld einen Wald gemacht hatte. Dies brachte ihn auf eine Idee, und er schrieb sich als von Tanne ein.
Beim Anblick seiner Schrift stieß Hede einen keuchenden Laut aus und sah ihn forschend an. »Fridolin, bist du es wirklich?«
»Sie kennen die Dame?«, fragte Grünfelder verwundert.
»Aus meinen forschen Jugendtagen«, antwortete Fridolin fröhlich.
»So spricht der ergraute Greis«, spottete einer der Offiziere, der ihnen zugehört hatte, und winkte Fridolin zu. »Na, Trettin, haben Sie schon jedient, wie es sich jehört?«
Fridolin schüttelte den Kopf. »Ich bin die letzten Jahre nicht in Preußen gewesen.«
»Wird aber Zeit! Wollen doch kein alter Greis werden, ohne des Königs Rock jetragen zu haben. Ihre Ahnen würden im Grabe rotieren.«
»Aber meine Herren! Unser Freund ist eben erst eingetroffen. Lassen Sie ihn sich doch erst einmal einleben«, versuchte Hede den Offizier und andere Stammgäste, die neugierig näher gekommen waren, davon abzuhalten, Fridolin mit Fragen zu überfallen.
»Hast du Lust, einen Cognac in meinem Büro zu trinken, oder willst du dir eines
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