Arabellas Geheimnis
Fünfzehn Jahre im Dienste der Könige Englands – und dieser Auftrag war alles, was seine harte Arbeit ihm eingebracht hatte?
Während er hier die Aufgabe eines Höflings erfüllte, tobte der Krieg zwischen England und Frankreich. Glaubten sie etwa, sein Schwertarm sei kraftlos geworden? Nur mit seinem Dolch bewaffnet, konnte er besser kämpfen als die Hälfte von Richards lächerlicher Mannschaft, denn die meisten der jungen Männer waren nichts als sabbernde Kleinkinder, die erst wenige Kämpfe erlebt hatten.
Richard hatte sich damit herausgeredet, wie wichtig der Schutz seiner Braut wäre und auf eine kürzliche Bedrohung des böhmischen Hofes hingewiesen. Doch die Aufgabe – und die Besorgnis des Königs – erschienen Tristan ein wenig hohl, auch wenn Richard ihm im Gegenzug für den erfolgreich ausgeführten Auftrag längst überfällige Ländereien versprochen hatte.
Wie um Tristans Meinung zu bestätigen, schnaubte das schwarze Pferd, während es seinen Durst stillte.
„Ich stimme dir völlig zu, mein Freund. Kein vernünftiger Krieger sollte die Rolle eines Höflings übernehmen. Aber da hast du es. Da bewegen wir unsere müden Hintern durch dieses hübsche Land, und die Gunst des Königs verschafft uns nicht mehr als das Los eines Bastards in diesem Leben. Wenn Richard dieses Mal nicht mit den Ländereien herausrückt …“ Es war wirklich ungeheuerlich. Wenn der König jetzt seine Bemühungen nicht honorierte, wartete das Dasein eines Söldners auf Tristan.
„Tristan?“ Sein Freund Simon Percival rief ihn aus einiger Entfernung. Simons Anwesenheit – der Ritter war fast so alt wie Tristan mit seinen dreißig Sommern – war einer der wenigen Gründe, der diese endlose Reise erträglich machte. „Sollen wir hier die Nacht verbringen, oder möchtest du weiterreiten? Wenn wir uns beeilen, könnten wir morgen in Prag sein.“
„Ich habe es nicht eilig. Sag den Männern, sie sollen abladen. Ich schau mich ein wenig um.“ Wenn er seinen Auftrag erfüllen wollte, musste er die rebellischen Gedanken aus seinem Kopf verjagen. Und so sprang er wieder aufs Pferd.
Während die Dämmerung hereinbrach, erkundete Tristan langsam und vorsichtig die Umgebung, um für die Sicherheit ihres Lagers zu sorgen. Die Einsamkeit des Landstrichs passte zu seiner Stimmung. Der dunkle Wald ging in eine sanfte Hügellandschaft über, die ausreichend Deckung bot für ausländische Ritter, die sich auf fremdem Terrain verstecken mussten.
Als der Lärm, den seine Männer machten, im letzten purpurnen Licht des Tages verstummte, hörte er aus der Tiefe des Waldes einen Schrei.
Er hielt an und war sich ziemlich sicher, dass ein Tier den Laut ausgestoßen hatte. Doch um sich zu vergewissern, wartete er. Obwohl er in einer abgelegenen Gegend zu sein schien, führte vielleicht in der Nähe eine Straße vorbei und ein unglücklicher Reisender war auf Räuber getroffen. Dann ertönte der Schrei wieder. Tristan überlegte immer noch, ob er von einem Tier oder einem Menschen herrührte, aber er klang zu gequält, als dass er ihn hätte ignorieren können.
Er glitt vom Pferd und ging in die Richtung, aus der er den Schrei vernommen hatte. Als der Weg sich hinzog, beschleunigte er seinen Schritt, bis er eine Lichtung erreichte, in deren Mitte ein vollkommener Kreis alter Eichen stand. Das Geräusch drang aus dem Innern dieses Kreises, aber in der zunehmenden Dämmerung konnte Tristan nichts erkennen. Er war sich ziemlich sicher, dass dort keine Tiere miteinander kämpften. Auch konnte er kein Pferd oder irgendwelche Wegelagerer erblicken.
Er pirschte weiter, bis er eine der alten Eichen berührte.
Die Schreie verstummten.
In dem Ring aus Eichen bewegte sich eine Gestalt.
Mit zusammengekniffenen Augen machte Tristan die Umrisse einer jungen Frau aus … oder was war es?
Halb zurückgelehnt auf dem Boden kauernd trug die Frau Kleider, die weder zu einer Bäuerin noch zu einer Dame passten. Ihr langes Gewand hatte einen weiten Rock – Tristan sah, dass er sich auf dem Boden um ihre Beine bauschte –, doch er war nicht lang genug, um ihre nackten Füße zu verbergen. Von Kopf bis Fuß war sie mit kleinen Zweigen und Tannennadeln übersät.
Und ihr Haar …
Es erinnerte ihn an das einer Hexe oder Fee aus einem Kindermärchen. In dicken Wellen hing es wie ein Mantel um ihren Oberkörper und bedeckte ihn, wie ihr langes Gewand den unteren Teil von ihr verhüllte. Die dunklen Strähnen reichten ihr bis zur Taille und schienen
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