Arabellas Geheimnis
Maria trug einen Mantel über einem weißen Leinengewand, das ein Unterkleid oder ein Hemd sein musste.
Arabella konnte den Gedanken an das, was ihre geliebte Freundin durchgemacht haben musste, kaum ertragen. Und was erwartete sie wohl als Nächstes? Ein Anflug von Panik verursachte ihr eine Gänsehaut.
„Das Letzte, an das ich mich erinnere, ist ein durchtränktes Tuch … durchtränkt mit einer übel riechenden Tinktur.“ Arabella hasste es, ihr das Schlimmste mitzuteilen. „Es könnte giftig gewesen sein.“
Maria erblasste. „Einer von ihnen ist der Mann, der dich in Prag überfallen hat. Warum sollte er so viele Länder durchqueren, nur um dich zu vergiften?“
„Vielleicht kennen sie die Kraft ihrer eigenen Kräutertinktur nicht. Der andere Mann, der bei Ivan ist – ist das der blasse Mann aus Calais, den ich dir beschrieben habe?“
„Er dürfte es sein. Er machte mir mehr Angst als der andere.“
„Haben sie – dich verletzt?“ Arabella tastete ihren Gürtel nach ihrem Kräuterbeutel ab und fand ihn immer noch an seiner gewohnten Stelle hängen. „Ich habe nicht viele Heilmittel bei mir, aber wenn du Schmerzen hast, kann ich …“
„Nein.“ Maria schüttelte den Kopf. „Mir geht es ganz gut. Aber diese Männer planen, mich gegen ein Lösegeld an König Wenzel zurückzugeben.“
Arabella versuchte sich in dem Durcheinander der Ereignisse zurechtzufinden und einen Zusammenhang in dem ganzen sinnlosen Geschehen zu entdecken.
„Du musst es sein, die sie die ganze Zeit wollten. Du musst ein Vermögen für sie wert sein, da sie dir so weit gefolgt sind.“
„Der König hat große Reichtümer und einen immensen Besitz, aber ist ihnen denn nicht klar, dass ich nur sein Mündel bin? Er sorgt gut für mich, aber ich bin nicht seine Erbin.“ Marias Stimme zitterte. „Ich glaube nicht, dass er so gut zahlen wird, wie Ivan und seine Freunde annehmen.“
„Vielleicht sind sie aber gar nicht so sehr an Reichtümern interessiert? Erinnerst du dich an die Nachricht, die Tristan erhielt und die besagte, dass die Männer, die mich entführten, einer ketzerischen Sekte angehören?“
Arabella konnte sich noch immer keinen Reim auf das Ganze machen, aber sie wusste auch zu wenig über höfische Intrigen. „Ganz gleich, was sie von uns wollen, es dauert Jahre, Botschaften von hier nach Prag und zurück zu schicken. Das alles ergibt keinen Sinn.“
„Der andere Mann – Thadus – meinte, er will die Lösegeldforderung senden, wenn wir unterwegs sind. Auf diese Art würde man ihn nicht so leicht fangen können. Und sie beabsichtigen, nicht nur für mich Lösegeld zu fordern. Sie erklärten, dass sie auch an deinen Vater Forderungen stellen würden.“
Arabella erstarrte. „Mein Vater ist tot.“
Maria zuckte die Achseln. „Sie nannten ihn Marek. Du weißt nicht, wen sie meinen?“
Beim Klang des Namens glitten Bruchstücke aus Arabellas Vergangenheit an ihren Platz. Es war ein Name, an den sie sich erinnerte, den sie wiedererkannte. Sie war noch ein kleines Mädchen gewesen, als sie den lächelnden Mann zuletzt gesehen hatte, den Mann, der ihr in ihren Träumen immer wieder erschienen war. Sie wusste, dass dieser Mann Marek genannt wurde.
Konnte er ihr richtiger Vater sein?
Arabellas Verstand arbeitete schnell, versuchte, alles auf einmal in sich aufzunehmen. An der Vermutung war etwas dran. Ihr war nicht klar, warum ihre Mutter ihr eine falsche Abstammung hatte einreden wollen, aber sie war überzeugt, dass es dafür einen guten Grund gab.
„Wo sind sie jetzt?“, fragte sie und überlegte, wie viel Zeit sie noch haben würden, um einen Plan auszuhecken.
„Ich weiß es nicht. Thadus ging ungefähr eine Viertelstunde, bevor du aufwachtest. Ich glaube, danach Hufschläge gehört zu haben. Jetzt ist es schrecklich still.“
„Wie viele waren bei ihm? Konntest du das erkennen?“
Maria schüttelte bedauernd den Kopf. „Er gab mir etwas, als wir durch den Gang in der Burg liefen. Ich sah nichts mehr, bis ich aufwachte.“ Noch bevor sie ihren Satz beendet hatte, begann Arabella bereits, ihre kleine Zelle nach Fluchtmöglichkeiten abzusuchen. Die einzige Tür befand sich in der gegenüberliegenden Wand und war fest verriegelt. Die Fenster waren zu hoch oben.
Würde Tristan überhaupt eine Ahnung haben, wo er nach ihnen suchen sollte? Zumindest wusste er über den Vorratsraum Bescheid. Und mit ein wenig Glück stand die Tür hinter dem Herd noch offen. Doch wie lange würde es dauern,
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