Arabellas Geheimnis
nach seinem Schwert rufen, während er schon in dem Vorratsraum nach dem Tunnel suchte. Vorerst hatte er das Hackmesser der Köchin an sich genommen und war entschlossen, den Schuft, der Arabella entführt hatte, zu schnappen. Er sollte sie nicht noch einmal bedrohen.
„Tristan!“ Hinter ihm rannte Simon die Treppen herunter, eine Fackel in der einen und den Schild in der anderen Hand. Sein Schwert hatte er umgegürtet. „Maria ist verschwunden. Ihre Zofe sagt, es scheint so, als habe sie sich gar nicht für den Tag angekleidet. Ihr …“
Er brach ab, und Tristan verstand, was Maria für ihn bedeutete. Der wilde Ausdruck auf Simons Gesicht sagte ihm alles, was Tristan noch nicht gewusst hatte.
„Ihre Kleider für den heutigen Tag liegen noch auf ihrer Truhe“, fuhr Simon fort. „Nur ihre Schuhe fehlen.“
„Wir werden sie finden.“ Tristan konnte nur beten, dass die Bastarde keinen allzu großen Vorsprung hatten. Obwohl, wenn Maria aus ihren Bett geholt worden war …
Seine Hand ertastete an einem der Felsen eine Vertiefung in der Mauer, und er zog an dem Stein. Eine kleine Tür schwang auf, die geschickt im Mauerwerk verborgen lag.
Tristan hielt als Erster seine Fackel in die Öffnung und hörte das Quieken eines ganzen Chors von Ratten. Die kleinen Tiere stoben auseinander, als er den schmalen Tunnel betrat. So schnell der enge Raum es erlaubte, eilte er den Gang hinunter. Hinter ihm fluchte Simon leise. Tristan fiel ein, dass sein Freund, seitdem ihr Vormund ihn einmal mit einem Aufenthalt im Verließ bestraft hatte, eine besondere Abneigung gegen Ratten hegte.
„Halte die Fackel dicht an deinen Kopf“, rief Tristan ihm über die Schulter zu. „Auf eine zu treten ist nicht so schlimm wie …“
„Können wir nicht einfach weiterlaufen?“
„Kannst du erraten, in welche Richtung wir gehen?“ Er konnte das Meer nicht riechen, und der Gang schien trocken zu sein.
„Nach Nordwesten.“ Eine lange Zeit sagte Simon nichts, während sie dem Gang folgten. „Ich werde heiraten.“
Beinahe wäre Tristan gestolpert.
„Ach verdammt!“ Das war natürlich völlig freundlich gemeint.„Das Mündel des Königs des Heiligen Römischen Reiches? Du hattest immer eine besondere Gabe, den Reichsten die Köpfe zu verdrehen. Meinen Glückwunsch.“
„Die ganze Nacht war ich auf und habe darüber nachgedacht, wie ich einen Brief an den König des Heiligen Römischen Reiches formulieren soll. Und jetzt wäre ich einfach froh … Wir sollten sie besser finden, Tristan.“
„Ich habe den Eindruck, der Gang wird wieder breiter.“ Seine Tunika war voller Spinnweben. „Wenn wir sie aufspüren, werden wir ihnen ein Feuer unter ihren böhmischen Hintern anzünden.“
„So lange sie nicht bereits viele Seemeilen von hier entfernt sind.“
Tristan entsann sich Arabellas Spur aus Blütenblättern, als sie das letzte Mal entführt worden war. Sie war eine kluge Frau. Schlau. Besonnen. Schön. So viel besser, als er es verdiente.
Er verstand nicht, wieso er so lange gebraucht hatte, um ihren Wert zu erkennen, um zu begreifen – ganz gleich ob arme Frau oder Prinzessin, Zigeunerheilerin oder wilde Waldfrau – dass er Arabella Rowan liebte.
Diese Wahrheit wirkte auf ihn wie edler Wein und weckte in ihm ein warmes Gefühl.
„Selbst wenn sie schon fort sind, Arabella wird eine Spur legen.“ Tristan musste es glauben, musste daran glauben, dass es ihr gut ging.
Denn bei Gott, er konnte sie doch nicht verlieren, bevor er Gelegenheit hatte, ihr zu sagen, dass er sie liebte. Er würde Arabella heute befreien und sie nach Hause holen. Koste es auch sein Leben.
Am späteren Nachmittag kündigte der gleichmäßige Klang von Hufschlägen die Rückkehr ihrer Entführer an. Aber Arabella hörte nicht auf, die Kräuter im Wasser umzurühren, bis direkt vor der Tür ihrer kleinen Kammer Schritte zu hören waren.
„Ihr plant doch nicht schon eine Revolte gegen Euren Entführer, oder, meine Hübschen?“ Thadus betrat die Kammer mit einer Verbeugung und grüßte sie mit einer höfisch gezierten Handbewegung. Sein blasses Gesicht trug auf einer Seite eine frische Narbe.
Arabella wusste genau, wer ihm dieses Zeichen verpasst hatte.
„Es wird Euch nie gelingen, England lebend zu verlassen.“ Arabella hatte nicht vorgehabt, ihre Auseinandersetzung mit Thadus gleich so heftig zu beginnen. Die Worte kamen ihr einfach über die Lippen. Ihr Herz gab sie ihr ein. „Dem englischen König liegt etwas an seiner Frau und
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