Arabiens Stunde der Wahrheit
âºFamilie des Buchesâ¹ oder âºAhl el-Kitabâ¹, sehr restriktiv zugestand.«
Georges hat sich im Lauf seines Monologs erregt. Er ist auf Franzosen und Engländer nicht gut zu sprechen. Die Mandatsmächte seien den Christen in den Rücken gefallen. Die Franzosen hätten zwar geglaubt, am Libanon ein christliches Bollwerk hinterlassen zu können, doch die Entente-Mächte hätten den Arabismus bereits während des Ersten Weltkrieges verraten. Der französische General Gouraud hatte 1920, als der haschemitische Araber-Fürst Feisal, der Weggefährte des Colonel Lawrence, in Damaskus die Generalstände der arabischen Befreiung ausrufen wollte, diesen Feudalherrn aus dem Hedschas in die arabische Wüste gejagt.
Die chaotischen Beduinen seien ohnehin untauglich gewesen für eine geordnete Staatsgründung, meint der Maronit mit einem verächtlichenLächeln. Feisal habe sich glücklich schätzen dürfen, daàer in Bagdad noch mit einem Königreich von britischen Gnaden beliehen worden sei, wie auch sein Bruder Abdallah mit dem WüÂstenfetzen von Transjordanien abgefunden wurde, ein »Sandkönig« gewissermaÃen. Aber die arabischen Reformer, vor allem die griechisch-orthodoxen Vorkämpfer der »Nahda«, seien an ihrem Demokratieverständnis französischer oder britischer ProÂvenienz verzweifelt. Der arabische Nationalismus, von den Entente-Mächten miÃachtet und miÃbraucht, habe sich nunmehr neuen Idealen Âzugewandt. Der Begriff »Nation« habe sich von den rationalen Modellen der Französischen Revolution oder eines ÂErnest Renan sowie von der Schimäre des Westminster-Parlamentarismus abgewandt und neue Erfüllung in einer völkischen, romantischen Interpretation gesucht, wie sie in den dreiÃiger Jahren im Gefolge Mussolinis und Hitlers hochkam.
An die Stelle des verspäteten Jakobinertums und jener aufgeklärten, voluntaristischen These, wonach die Nation sich als tägliche Volksabstimmung, »un plébiscite de tous les jours«, offenbare, sei der Begriff der unausweichlichen völkischen Zusammengehörigkeit getreten. Diese Thesen seien von ein paar jungen arabischen Propagandisten nachträglich mit dem deutschen Gedankengut Herders und Fichtes verquickt worden. Nicht von ungefähr habe die »Syrische Volkspartei« das Hakenkreuz nachgeäfft.
Der alte Mann ist aufgestanden. Er hat die Maske weiser Abgeklärtheit fallenlassen. »Ich war persönlich befreundet mit dem Gründer der bedeutendsten Nationalbewegung in unserem Raum, mit Michel Aflaq, dem Inspirator der âºHizb el Baath el arabiâ¹, der âºPartei der arabischen Wiedergeburtâ¹. Ich habe lange und häufig mit Michel Aflaq gestritten. Als Maronit, als Angehöriger einer kämpferischen christlichen Konfession, die sich zumindest im libanesischen Gebirge gegen alle Stürme behauptet hatte, distanziere ich mich von der Anpassungsfähigkeit, den fatalen Zugeständnissen meiner griechisch-orthodoxen Glaubensbrüder. Ich bezweifle stark, daà der arabische Nationalismus sich einer zwangsläufigen Re-Islamisierung auf Dauer verweigern kann.«
Deutsche Präsenz am Golan
ImJuni 1951 rollte ich zum ersten Mal im Jeep auf der geschlungenen SchotterstraÃe, die südwestlich von Damaskus das Golan-Plateau erklettert. Zum Schutz und zur Ãberwachung wurde ich von einem syrischen Hauptmann und zwei Soldaten eskortiert. Der Capitaine hatte sich mit seinem richtigen Namen, Abdelhamid Serraj, vorgestellt, und ich konnte nicht ahnen, daà er eines Tages zum Chef eines der gefürchtetsten Geheimdienste seiner Republik würde. Wir hatten am Fuà des Golan-Massivs die Ortschaft Deraa durchquert.
»Sie kennen doch Deraa aus den Erzählungen von El Aurens«, fragte Abdelhamid Serraj und sprach den Namen des berühmten Lawrence of Arabia immer noch wie die Wüstenreiter des Scherif Hussein aus. Deraa war eine trostlose Siedlung auf dem Weg von Damaskus zu den Golanhöhen. Durch diese grauen Steingassen war Lawrence einst als einsamer, unvorsichtiger Späher in der Verkleidung eines Beduinen geirrt, als ihn eine türkische Patrouille aufgriff. Die kollektive Vergewaltigung, die dann folgte, hat den Helden der Sieben Säulen der Weisheit in geradezu neurotischer Weise gezeichnet. Danach konnte nicht genug Blut flieÃen, und es wurde kein Pardon gewährt, wenn eine
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