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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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kommandierte. Er habe einst der »Syrischen Volkspartei« PPS nahegestanden, so munkelte man, jener »Hizb es-Suri el-Qaumi«, die von einem libanesischen Christen gegründet worden war, einem wirren Sozialismus nationalistischer Prägung anhing und die volle Säkularisierung des Staates forderte.
    Die PPS träumte in jenen Tagen noch von einer Großsyrischen Republik, die das türkische Cilicien, Jordanien, Palästina, die Sinai-Halbinsel und sogar Zypern umfaßt hätte. Die PPS holte den Feldherrn Hannibal aus der Mottenkiste der Geschichte und spannte den Karthager für ihre utopischen Ziele ein. Die PPS, die ein Vierteljahrhundert später im libanesischen Bürgerkrieg von ahnungs­losen westlichen Korrespondenten als progressistische Bewegung hoch gelobt wurde, führte damals schon ein stilisiertes rotes Hakenkreuz mit weißer Scheibe auf schwarzem Hintergrund in ihrem programmatischen Wappen.
    Streit um den Fruchtbaren
Halbmond
    Vormeinem Aufbruch aus Beirut hat mir der Kollege Boutros ein Empfehlungsschreiben an einen engen Verwandten mitgegeben, einen wohlhabenden Geschäftsmann, der sein Vermögen zahlreichen kommerziellen Niederlassungen in Westafrika verdankt. In einem orientalischen Palast der Altstadt, wo sich der Glanz früherer Epochen trotz mancher Spuren des Verfalls erhalten hat, empfängt mich ein beleibter, kahlköpfiger Mann, der etwa siebzig Jahre alt sein mochte und den wir Georges nennen wollen. Jedes Gespräch in Damaskus ist konspirativ, aber die familiäre »connection« zu Boutros schafft Vertrauen. Georges zögert nicht, auch heikle politische Themen anzusprechen, nachdem er sich versichert hat, daß der kaukasische Bedienstete nach Servieren des Kaffees den gekachelten Empfangsraum mit dem versiegten Springbrunnen verlassen hat.
    Â»Schischakli hatte sich längst von der PPS distanziert«, erklärt mir Georges. »Diese Syrische Volkspartei, die ursprünglich von dem griechisch-orthodoxen Christen Antun Sa’ada konzipiert wurde und in der weiterhin die Angehörigen dieser Konfession den Ton angeben, konnte für den Sunniten Schischakli kein ausreichendes Instrument sein. Die PPS geriet zudem in den Verdacht, mit dem britischen Geheimdienst zu konspirieren, und das kommt in Syrien einem Todesurteil gleich. Aber auch die Franzosen sind höchst unbeliebt. Mit ihrem verzweifelten Versuch, sich noch 1945 hier festzukrallen – sie haben damals sogar Damaskus mit Artillerie beschossen –, ehe sie von den britischen Verbündeten zum Abzug gezwungen wurden, haben sie sich lächerlich gemacht. In seiner Wut gegen diese Verdrängung hatte Charles de Gaulle damals angeblich die Botschaft an Churchill gerichtet: ›Wenn wir die Macht dazu hätten, würden wir Ihnen den Krieg erklären.‹ Aber eines hatte das Deuxième Bureau der Franzosen hier hinterlassen, ein abgrundtiefes Mißtrauen gegen das ›perfide Albion‹.«
    Bisspät in die Nacht schildert mir Georges die Tragödie der orientalischen Christenheit in der Levante. »Wir sind die Väter des arabischen Nationalismus«, beteuert er. »Unsere Intellektuellen, unsere Journalisten aus Syrien und Libanon haben im wesentlichen auch die arabische Presse in Kairo begründet. Diese Vorläufer haben sich gegen die türkische Gewaltherrschaft aufgelehnt. Es ging ihnen nicht nur darum, die arabische Nation aus der erdrückenden Abhängigkeit der ›Hohen Pforte‹ zu lösen. Es ging um mehr. Der osmanische Sultan Selim I., genannt der Grausame, hatte seit dem Ende des letzten Abbassiden-Zweiges in Ägypten auch den Titel des Kalifen für sich usurpiert. Er war der ›Befehlshaber der Gläubigen‹. Die Befreiung der Araber vom türkischen Joch würde, so hofften wir damals, den christlichen Minderheiten des Orients endlich die Gleichberechtigung mit den Muslimen im Rahmen einer säkularisierten arabischen Nation bringen. Religion und Politik wären dann endlich getrennt, und die ›Nahda‹, das nationale Erwachen, würde in einen demokratischen Modernismus westlicher Prägung einmünden, wie ihn unsere Intellektuellen beim Studium an der Sorbonne aufgesogen und schätzen gelernt hatten. Wir wären endlich befreit gewesen von jenem diskriminierenden Status als ›Dhimmi‹, als ›Beschützte‹, den der Koran den Christen und den Juden, der

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