Arabiens Stunde der Wahrheit
Wirklichkeit einem seltsamen Synkretismus. Die Drusen zollen dem geistesgestörten Fatimiden-Kalifen Hakim bi-Amrillah beinahe göttliche Verehrung. Gleichzeitig gehört die Seelenwanderung zu den Säulen ihres esoterischen Glaubens.
Nach dem uralten Prinzip des »Teile und herrsche« spielten die französischen Mandatsbehörden die christlichen Minderheiten gegen die erdrückende Ãberzahl der sunnitischen Muslime aus und versuchten sogar im gebirgigen Küstengebiet zwischen Lattaqiya und Banyas ein autonomes Gebiet der Alawiten ins Leben zu rufen. Dabei handelt es sich um eine Gemeinde, die in der heutigen Arabischen Republik Syrien eine dominante Rolle spielt. Blieb im Nordosten des Mandatsgebietes längs der türkischen Grenze ein Siedlungsgebiet von Kurden, die sich ähnlich wie ihre Stammesbrüder in Anatolien und Westiran durch den Vertrag von Sèvres um ihre Eigenstaatlichkeit betrogen fühlten.
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Im Sommer 1951 war ich â von Bagdad kommend â zum ersten Mal in Damaskus eingetroffen. Meine geringen finanziellen Mittel erlaubten mir immerhin, jenen langgezogenen Autobus der Nairn-Linie zu benutzen, der für die nächtliche Fahrt mit komforÂtablen Liegesesseln ausgestattet war. In Ermangelung von StraÃen undPisten peilte angeblich der Chauffeur seine Richtung durch die tellerflache Wüste mit Hilfe eines Kompasses an.
Gleich beim ersten Gang durch die Altstadt von Damaskus â von den Arabern Es Scham genannt â war ich von dieser uralten Metropole fasziniert. In Damaskus schlage das Herz der arabischen Nation, wird heute noch behauptet. Tatsächlich wird die zerbrökkelnde architektonische Pracht des Stadtkerns nur durch die ferne maghrebinische Zauberwelt von Fez und Meknes übertroffen. Ich hatte mich im Hotel »Orient Palace« einquartiert, unmittelbar gegenüber dem stattlichen Bahnhof der Hedschas-Bahn, die von deutschen Ingenieuren zur Zeit des wilhelminisch-osmanischen Bündnisses durch die sandige Einöde Arabiens gebaut wurde. Zu Fuà bin ich durch den von geschäftigem Leben quirlenden Suq geschlendert und stand plötzlich am Eingang der Omayyaden-Moschee. An der Enge des überdachten Bazars gemessen, wirkte der marmorgepflasterte, riesige Innenhof mit dem Grab Johannes des Täufers wie eine weihevolle Unendlichkeit. Die korinthischen Säulen dieser riesigen Kultstätte verwiesen auf ihren hellenistischen und byzantinischen Ursprung.
Bei meinem Rundgang durch die modrigen Gassen stieà ich auf die bescheidene Grabstätte des edelsten Helden des Islam, auf das Mausoleum des Sultan Saladin â auf Arabisch Salah ud Din â, der den Kreuzrittern im Jahr 1187 die entscheidende Niederlage von Hittin beibrachte und Jerusalem wieder der Herrschaft des Halbmondes unterwarf. Der kleine Garten, der sich an den melonenförmigen Kuppeldom schmiegte, besaà trotz und vielleicht wegen seiner Vernachlässigung einen elegischen Charme. Sogar Singvögel zwitscherten. Der ursprüngliche Katafalk des groÃen Feldherrn, der auch von seinen christlichen Gegnern hochgeachtet und in Lessings »Nathan der Weise« idealisiert wurde, war aus NuÃbaum gezimmert und von Fäulnis angefressen. Daneben hat Kaiser Wilhelm II. bei seiner Orientreise im Jahre 1898 einen prächtigen Kenotaph aus weiÃem Marmor aufstellen lassen als Huldigung an einen fremdgläubigen Feldherrn des Mittelalters, der auch in der abendÂländischen Sagenwelt weiterlebt. Am Rande sei erwähnt, daà Saladinkein ethnischer Araber, sondern Kurde war und aus dem Städtchen Tikrit nördlich von Bagdad stammte. Dort sollte achthundert Jahre später â in einfachsten Verhältnissen â ein gewisser Saddam Hussein das Licht der Welt erblicken, ehe er zum grandiosen und grausamen Rais an die Spitze der Irakischen Republik aufstieg und nach seiner Gefangennahme durch die US-Streitkräfte am Galgen endete.
Im Spätsommer 1951 wurde Syrien mit starker Faust regiert. Unabhängig von den Zivilregierungen, die sich in Damaskus ablösten, lag die tatsächliche Macht in den Händen des General Adib Schischakli, eines Kurden mit steinernem Gesicht, von dem es hieÃ, er halte sich nie vor einem Fenster auf, sondern sorge stets dafür, mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Das Machtinstrument SchischakÂlis war das Erste Panzerbataillon von Damaskus, das er persönlich
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