Arabiens Stunde der Wahrheit
syrischen Ordonnanzen, die in kurzen Abständen türkischen Kaffee servierten. Aber Kriebel verheimlichte nicht, daà dieser Kargheit und Disziplin, die er seinen Mitarbeitern auferlegte, eine sehr viel abenteuerlichere Phase vorangegangen war.
Der Schwarze September
Es wäre müÃig, den politischen Wirrwarr zu schildern, der der Entfernung des General Schischakli aus dem Präsidentenamt folgte. Die syrische Politik wurde zum Exempel arabischer Inkohärenz. Ausschlaggebend wirkte sich vorübergehend die panarabischeRevolution des Ãgypters Gamal Abdel Nasser aus, der eine Welle nationalen Ãberschwangs zwischen Maghreb und Persischem Golf auslöste und die Syrer so beeindruckte, daà sie eine kurzfristige Staatenunion mit den Offizieren von Kairo eingingen. Lange hat das nicht gedauert, denn das politische Temperament, ja sogar die Hautfarbe â wie die Syrer bemerkten â waren allzu unterschiedlich zwischen den Ufern des Nil und des Barada.
Als im Jahr 1963 die »Partei der arabischen Wiedergeburt«, die »Baath«, sich in Damaskus mit Hilfe der Armee durchsetzte, steigerte sich der aggressive arabische Nationalismus zur Frenesie. Im Kalten Krieg, der längst auch auf den Vorderen Orient übergegriffen hatte, schlugen sich die Wirrköpfe, die in Damaskus das Sagen hatten, auf die Seite Moskaus. Ihre Militärs wurden nunmehr in der Sowjetunion ausgebildet, und aus dem Ostblock kamen auch die Waffen, die bei den Syrern die Illusion aufkommen lieÃen, sie könnten es im Notfall â im Verbund mit Ãgypten â mit den Streitkräften Israels aufnehmen.
Die katastrophale Niederlage der arabischen Koalition, die es im Sechstagekrieg des Jahres 1967 dem Judenstaat erlaubte, die Golanhöhen zu erstürmen, die palästinensische Westbank sowie vor allem Ost-Jerusalem zu besetzen und ihre Frontlinie gegen Ãgypten bis zum Suezkanal vorzuschieben, lieà Nassers Trugbild von der panarabischen Einheit zerschellen und hinterlieà in Damaskus einen Unterlegenheitskomplex, der sich in wüster Polemik gegen Israel niederschlug.
Wer geglaubt hatte, die Machtergreifung der Baath-Partei, die sowohl in Damaskus als auch in Bagdad im Zeichen einer säkularen, nationalistischen und sozialistischen Ideologie stattfand, würde zwischen den beiden wichtigsten Staaten des Fruchtbaren Halbmonds eine brüderliche Zusammenarbeit, zumindest eine militärische Koordinierung bewirken, ging völlig fehl. Es war, als brächen die alten Gegensätze wieder auf, die wenige Dekaden nach dem Tod des Propheten zwischen den Kalifatsansprüchen der Omayyaden in Damaskus und der Abassiden von Bagdad ausgetragen und zugunsten Mesopotamiens entschieden wurden. Typisch für den arabischen Hangzur Zersplitterung, zur »Fitna«, war die Todfeindschaft, in die sich die beiden regierenden Baath-Flügel Syriens und des Irak verstrickten und die bis in die jüngste Gegenwart andauert.
Die groÃe Wende trat für die Republik von Damaskus im Sommer 1970 ein. Dies war eine Schicksalsstunde für den ganzen Orient. Begonnen hatte alles mit dem miÃlungenen Staatsstreich, den die PLO im Sommer 1970 gegen den jordanischen König Hussein führen wollte. Arafat betrachtete die jordanische Hauptstadt als sein eigenes Territorium. Die Palästinenser bildeten dort längst die erdrückende Bevölkerungsmehrheit. Zu jener Zeit war der Vietnamkrieg in aller Munde, und das Fiasko der amerikanischen Weltmacht in Indochina zeichnete sich ab. Also verkündete Yassir Arafat, er werde Amman â im Kampf gegen den Zionismus â zum »Hanoi der Araber« machen. Von diesem Bollwerk aus werde er die Rückeroberung seiner Heimat in die Wege leiten.
Im November 1970 konnte ich meinen Schreibtisch als Fernsehdirektor in Köln kurzfristig verlassen, um nach Jordanien zu fliegen. Die erste Runde des Bürgerkriegs war bereits entschieden. Am 16. September 1970 hatte König Hussein seinen treuen Beduinen Order erteilt, der unerträglichen und demütigenden Situation, in die ihn die Palästinenser gebracht hatten, ein Ende zu setzen.
Arafat und seine PLO benahmen sich seit Monaten in Jordanien, als repräsentierten sie bereits die tatsächliche Staatsgewalt. Die Freischärler unter dem schwarz-weiÃen Kopftuch veranstalteten Paraden und ergingen sich â Parolen und Kampflieder brüllend â in heldischer
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