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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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osmanische Nachhut in den Hinterhalt der Beduinen des englischen Agenten geriet.
    Â»Die Briten verstehen sich auf Orientpolitik«, nahm der Capitaine das Gespräch wieder auf. »Sie kaufen sich ein paar Paschas, setzen einen haschemitischen König an deren Spitze, sorgen für gute Verbindungswege, damit ihre Söldner jeden Widerstand im Soforteinsatz brechen können. Das Volk wird in Unwissenheit gehalten. So kann man eben ein arabisches Land beherrschen. Die Franzosen haben sich bei uns in Syrien viel törichter angestellt. Sie haben zwar versucht, alle nur erdenklichen Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen, die Christen gegen die Muslime, die Alawiten gegen die Sunni, die Drusen gegen die übrigen. Aber gleichzeitig haben sie den Schülern und Studenten die Geschichte derFranzösischen Revolution eingetrichtert. Dann wunderten sich die Lehrmeister aus Paris, daß wir die Konsequenz aus diesem Unterricht zogen und die Bastille der Mandatsverwaltung stürmen wollten.«
    Wir bewegten uns jetzt in einer vulkanischen Felslandschaft. Das Gestein war schwarz. Schwarz waren auch die Ziegen, die durch den Lärm unseres Jeeps verscheucht und von zwei drusischen Hirten mühsam wieder eingesammelt wurden. Wir näherten uns der syrisch-israelischen Grenze. Das Golan-Plateau fiel plötzlich steil ab. Zu unseren Füßen erstreckte sich die Jordan-Senke mit dem Huleh-See, der damals von den jüdischen Siedlern noch nicht trokkengelegt war. Dahinter stiegen die sanften Hügel von Galiläa an. Der Kontrast konnte nicht krasser sein zwischen der steilen, nackten Öde, auf der wir uns befanden, und dem israelischen Pionierland jenseits des Huleh. Dort drüben hatte – der jüdische Staat war erst drei Jahre alt – intensive Agrarbearbeitung die Landschaft mit fruchtbarem Grün überzogen. Sogar die spröden Hänge waren mühsam aufgeforstet worden. Capitaine Serraj war sich dieses Unterschiedes wohlbewußt. »Wir sind ein armes Land«, beteuerte er, »das auf seine eigenen Kräfte angewiesen ist, aber den Zionisten dort drüben steht die ganze Kapitalkraft des Weltjudentums zur Verfügung.« Er führte mich zu einer Kette von flachen Betonbunkern, deren Schießscharten auf die israelischen Kibbuzim gerichtet waren. »Wir verfügen hier über eine erstklassige Position, wenn eines Tages der Krieg um Palästina wieder ausbricht, und dieser Tag wird mit Sicherheit kommen«, fuhr der Offizier fort. »Diese Bunkerstellung ist übrigens von Ihren deutschen Freunden entworfen worden, denen Sie in Damaskus begegnet sind.«
    Tatsächlich verdankte ich den Ausflug in die vordersten syrischen Stellungen am Golan der Empfehlung des deutschen Oberst Kriebel, der im syrischen Verteidigungsministerium in jenen Tagen eine Gruppe von dreißig ehemaligen Wehrmachtsoffizieren leitete. Diese Militärmission, deren Mitglieder individuell vom syrischen Generalstab rekrutiert worden waren, entsprach durchaus nicht jenen phantastischen Gerüchten von einer zwölftausend Mann starkendeutschen »Orient-Armee«, die angeblich auf seiten der Araber zum Einsatz gegen Israel bereitstände. Oberst Kriebel hatte mich ohne Umstände in seinem Büro in Damaskus empfangen, das von syrischen Militärpolizisten mit roter Schirmmütze bewacht wurde. Sein Vater war bereits als Wehrberater in China tätig gewesen. Kriebel entsprach dem Typus des intellektuellen Generalstäblers.
    Die Atmosphäre in seiner Amtsstube war nüchtern. Er betonte auch, daß er Experten und keine Landsknechtsnaturen um sich versammelt hatte. Den offiziellen Segen aus Bonn habe er zwar nicht. Die Bundesrepublik sei doch erst aus der Taufe gehoben, und die Bundeswehr befinde sich in der allerersten Konzeptionsphase. Die westlichen Alliierten hätten keine Einwände gegen diese deutsche Mission erhoben. Im Zeichen des Kalten Krieges – seit einem Jahr in Korea zu einer tödlichen Eskalation hochgeschraubt – sei die Präsenz von Westdeutschen in Syrien einer möglichen sowjetischen Einflußnahme bei weitem vorzuziehen.
    Er habe seinen Offizieren die Weisung erteilt, stets Zivil zu tragen, und bemühe sich um guten Kontakt nach Bonn. Seines Wissens sei in Ägypten eine ähnliche Offiziersgruppe tätig. Es ging sehr sachlich zu bei den deutschen Militärexperten in Damaskus. Orientalisch wirkten nur die

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