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Arabiens Stunde der Wahrheit

Arabiens Stunde der Wahrheit

Titel: Arabiens Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Pose. Für die Kameras der ausländischen Fernsehgesellschaften führten sie in ihren Übungslagern Einsatzbereitschaft vor, sprangen durch brennende Reifen, robbten unter Stacheldraht, während schreiende Instrukteure scharf über die Köpfe der Rekruten feuerten. Eine revolutionäre Show wurde geboten.
    Aber für Hussein ging es ums Ganze, seit die Fedayin sich anmaß­ten, Sicherheitskontrollen und Verhaftungen durchzuführen, seit sie Geplänkel an der Jordan-Front provozierten. Hätte er eine Woche länger zugesehen, wären ihm nur noch die Abdankung und die Flucht ins Ausland geblieben. Im frühen September 1970 war der Punktohne Wiederkehr erreicht. Die linksextremistischen Gefolgsleute des palästinensischen Christen George Habbash hatten drei Verkehrsmaschinen nach Zarqa in Nordjordanien entführt und im Beisein der internationalen Presse gesprengt. Das Schicksal des Haschemiten-Throns schien mit dieser Herausforderung besiegelt.
    Aber der kleine König Hussein – ein authentischer Nachkomme des Propheten – war aus hartem Holz geschnitzt. Seine Beduinenarmee stand hinter ihm, brannte darauf, mit den palästinensischen Protzen abzurechnen. Als der Feuerbefehl kam, ballerte die jordanische Artillerie in die befestigten Flüchtlingslager von Amman, als gelte es, die Israeli zu besiegen. Die königstreue Truppe machte Jagd auf die PLO-Partisanen in der Innenstadt. Eine Anzahl von Gebäuden ging in Flammen auf. Ein paar tausend Palästinenser – die genaue Zahl wurde nie bekannt – wurden getötet. Unglaubliche Mengen von Munition wurden verschossen. Gegenüber den Berufssoldaten des Königs reichte es nicht aus, »trigger-happy« mit der Kalaschnikow zu spielen und sich am Explosionslärm zu berauschen. In 48 Stunden war der Spuk vorbei. In den Flüchtlingslagern weinten die Frauen. Die PLO-Kämpfer mußten überstürzt die Hauptstadt räumen. Yassir Arafat war längst außer Landes.
    Als ich in jenem »Schwarzen September« in Amman eintraf, hatte der König die Partie gewonnen. Er besaß den größeren Mut und bewahrte die stärkeren Nerven. Im Hotel »Intercontinental«, wo ein paar Wochen zuvor, im Juni, eine radikale Palästinensergruppe vorübergehend achtzig Geiseln genommen hatte, waren die mei­sten Scheiben zerborsten und die Empfangshalle durch Einschüsse entstellt. Die Krise war noch nicht ganz ausgestanden. Zwölftausend irakische Soldaten, Sympathisanten der PLO, standen im ­Osten des Landes und hätten jederzeit gegen den Königspalast marschieren können. Aber die Amerikaner hatten zu verstehen gegeben, daß sie eine solche Verletzung der jordanischen Souveränität nicht dulden würden.
    Die wirkliche Gefahr kam aus Norden. Die Republik Syrien wurde im Sommer 1970 von einer extremistischen Clique der sozialistischen Baath-Partei unter dem hitzigen Triumvirat der Ärzte NureddinAtass, Yussef Zouayen und des Generals Salah Dschadid regiert. Diese Männer hatten beschlossen, den palästinensischen Brüdern in deren Not zur Seite zu stehen. Syrische Panzerbrigaden waren über die jordanische Grenze nach Süden gerollt, um die Tragödie des »Schwarzen September« – unter diesem Namen ist die Krise von Amman in die Annalen eingegangen – im Sinne des revolutionären Arabismus zu nutzen. Weit waren die Tanks des Zouayen-Regimes nicht gekommen. Der Oberbefehlshaber der syrischen Luftwaffe, ein gewisser General Hafez el-Assad, hatte nämlich das aberwitzige Engagement des herrschenden Dreibundes mißbilligt und den eigenen Bodentruppen jede Luftunterstützung verweigert.
    Aus Israel waren dem Oberkommando in Damaskus eindeutige Warnungen zugekommen. Eine bewaffnete syrische Intervention im jordanischen Bürgerkrieg würde von Zahal mit der vollen Entfaltung seiner weit überlegenen militärischen Mittel beantwortet. Notfalls schrecke Israel auch vor der Eroberung Ammans nicht zurück. Im Herbst 1970 war die Erinnerung an das gesamtarabische Debakel des Sechstagekrieges noch in allen Gemütern präsent. General Hafez el-Assad wußte, daß er schon am ersten Tag einer Konfrontation mit dem Judenstaat seine gesamte Luftwaffe einbüßen würde. Gestützt auf eine kleine Fraktion im regionalen Oberkommando der Baath-Partei, setzte Assad sich durch und befahl die Einstellung der

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