ARALORN - Der Verrat (German Edition)
sogar zum ae’Magi. Doch als er zu Kisrah kam, war er zu wenig mehr in der Lage als Kerzenanzünden. Santik wurde wegen Misshandlung und Verletzung der Sorgfaltspflicht angeklagt, dann wurden seine Kräfte von dem ae’Magi versiegelt. Eine traurige Ironie, nicht wahr, dass ausgerechnet mein Vater einen anderen Magier des Missbrauchs für schuldig befindet? Kisrah hat mit Nevyn gearbeitet, doch als er sicher war, dass sein Schüler genug gelernt hatte, um sich einigermaßen vor sich selbst schützen zu können, beendete er die Ausbildung auf dessen eigenen Wunsch. In diesem Sinne ist Nevyn so ziemlich das Gleiche wie ich – ein mächtiger Magier, der nicht weiß, was er tut. Und genau deshalb denke ich nicht, dass er unser Bösewicht ist. Er besitzt einfach nicht die Fähigkeiten, so etwas wie den Zauber, der deinen Vater im Griff hat, zustande zu bringen. Er ist ein guter Mann, Aralorn. Ich glaube nicht, dass er es war.«
Aralorn schaute Wolf an, überrascht über die für seine Verhältnisse außergewöhnlich lange Rede.
Das war ihr suspekt.
Sie dachte daran, was in jener Nacht passiert war, und plötzlich wurde ihr klar, warum Wolf für sie ein so klares Bild zeichnete. Wirklich, armer Nevyn. Zehn Jahre des Spionierens und Beeinflussens von Leuten, ohne dabei deren Aufmerksamkeit zu erregen, hatten ihre Instinkte geschärft: Sie erkannte, wenn jemand versuchte, im Gegenzug sie zu manipulieren.
Nevyn war demnach also ein mächtiger Magier, nicht wahr? Verletzt von jemandem, der ihn eigentlich hätte beschützen sollen. Ein guter Mann.
Wolf auf der anderen Seite war ein undurchsichtiger Mann, ihr Geliebter: Sie hatte eine Schwäche für undurchsichtige Männer.
»Ich bin sicher«, sagte sie langsam, »dass du glaubst, Nevyn hätte mit der ganzen Sache nichts zu tun.« Andernfalls hätte er ihn ihr nicht auf dem Präsentierteller serviert.
Manchmal, dachte sie, musste man den Leuten sagen , dass man sie liebte; musste man es ihnen einfach um die Ohren hauen.
»Ich liebe dich nicht wegen deiner Kräfte, Wolf. Und auch nicht, weil du so unglaublich schön bist.« Seine Hand zuckte in Richtung seines vernarbten Gesichts. »Und ganz bestimmt liebe ich dich nicht, weil du von deinem Vater missbraucht worden bist.« Ihre Stimme wurde mit jedem Wort schärfer, brachte eine Wut zum Ausdruck, die nicht ganz vorgetäuscht war. »Und selbstverständlich liebe ich dich nicht, weil du so ein toller Magier bist. Nevyns Kräfte, Schwächen hin, Schwächen her, mögen vielleicht ein Grund sein, dass ein halbwüchsiges Mädchen ihm einen zweiten Blick schenkt, während es bei dir schon nach dem ersten davonlaufen würde – aber ich bin jetzt erwachsen, und das schon eine ganze Weile. Also raus damit« – inzwischen schrie sie ihn fast an – » wieso versuchst du mit dem Eifer eines Dorfkupplers meine Aufmerksamkeit auf Nevyn zu lenken?« Sie verstellte ihre Stimme, legte ein ältliches Zittern in sie hinein und gab ihr einen bäuerlichen Akzent. »Seht euch bloß diesen fabelhaften Mann an, verletzt, aba nobel – ’n mächtiger Magier, der liebevoll gepflegt werden muss. So, so, er is mit de Schwesta verheiratet, hört, hört, er tut Gestaltwandler hassen – na und wenn auch, wen kümmert das schon?«
Sie musste ihn dazu bewegen, ihr zu sagen, was ihn störte, damit sie sich dem stellen konnte. Musste ihn aus der Reserve locken; vielleicht kam sie mit ein bisschen Süßholzraspeln weiter – allzu viel Erfahrung hatte er in diesen Dingen ja noch nicht. »Ich brauche Nevyn nicht, mein Schatz. Ich habe dich.«
»Allerdings«, raunzte er. Sie war froh, ihn wütend zu sehen, denn die Traurigkeit in seinen Augen zerriss ihr das Herz. »Oh, ich bin der Traum jeder Jungfer. Ein Magiermeister – nur dass abgesehen von ein paar elementaren Zaubern die einzige Magie, die ich kenne, schwarze Magie ist und ich deswegen mit größter Wahrscheinlichkeit durch die Hand irgendeines Magiers, der es schafft, mich in eine Ecke zu drängen, den Tod finden werde. Ohne dass ich etwas dagegen machen kann, benutzt mich die grüne Magie nach Belieben, um sich selbst herbeizurufen und zu tun, was immer –« – er machte eine Pause, um Luft zu holen und demonstrativ seine Schultern zu lockern – »und zu tun, was immer in dem Moment passend erscheint. Ohne mich bist du besser dran.«
Am klügsten wäre es wohl, dachte Aralorn, ihn von alleine darauf kommen zu lassen. Sie wusste, dass er sie niemals verletzt hatte, nicht einmal mit seiner
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