ARALORN - Der Verrat (German Edition)
rosenfarbenen Perücke, die er trug – wie ein Smaragd inmitten eines Haufens Glasjuwelen. »Noch bevor sie mir dieses Amt antrugen, berief mich der Rat dazu, die Umstände von Geoffreys Tod zu untersuchen. Ich hab den Hintergrund aller beleuchtet, die in seinen letzten Jahren irgendetwas mit ihm zu tun hatten. Ihr« – er richtete seine nächsten Worte direkt an Aralorn – »habt mir ein ganz besonders vertracktes Rätsel aufgegeben und dafür gesorgt, dass die Untersuchungen sich mehr in die Länge zogen als nötig. Es war wirklich nicht einfach, vor allem bis ich herausfand, dass in den Adern der ältesten Tochter des Löwen Gestaltwandlerblut floss.« Seine Kunstpausen saßen fast so perfekt wie ihre. Nach einem kurzen Augenblick wandte er sich wieder Irrenna zu. »Die Uriah sind ihm zum Verhängnis geworden. Er hat nach einer Möglichkeit gesucht, sie weniger gefährlicher zu machen, und dann über die, die er um sich geschart hatte, die Kontrolle verloren. Man fand nicht einmal mehr seine Leiche.«
»Dann war es also ein Unfall?«, fragte Irrenna. »Ich hatte schon so was gehört – obschon ja auch diese Gerüchte um seinen Sohn die Runde machen.«
»Der Rat hat es offiziell zu einem Unfall erklärt«, bestätigte ihr Kisrah. »Eine Tragödie für uns alle.«
Aralorn fiel auf, wie sorgsam er es zu sagen vermied, dass er die Einschätzung des Rats, dass es sich bei dem Tod seines Vorgängers um einen Unfall gehandelt hatte, teilte. Natürlich tat er das nicht – schließlich war er dort gewesen.
»Möchtet Ihr Euch jetzt meinen Vater ansehen? Oder wollt Ihr Euch vorher lieber von der Reise ausruhen?«, fragte sie.
Lord Kisrah richtete seinen Blick wieder auf sie. »Vielleicht möchte ich erst etwas essen. Würde es Euch etwas ausmachen, mich anschließend zu Eurem Vater zu begleiten? Ich hab die Versiegelungszauber gleich nach meiner Ankunft aufzuheben versucht, aber es ist mir nicht gelungen.«
Dann hatte sich also Kisrah an den Abwehrzaubern zu schaffen gemacht. Kannte er Wolfs Magie gut genug, um zu erkennen, dass er die Zauber gewirkt hatte? Scheiß Versiegelungszauber , dachte sie. Hätte sie auch nur den Verstand einer Gans, hätte sie sie selbst angebracht.
»… zuerst, dass sie Nevyns Werk sind, aber ich kenne seine Magie.« Forschend sah er sie an, und Aralorn fragte sich, was sie wohl nicht mitgekriegt hatte, während sie damit beschäftigt gewesen war, sich selbst zu verfluchen.
»Nein, nicht Nevyns, und meins auch nicht – die magische Gabe meiner Mutter ist grüne Magie. Ich kann Schutzzauber errichten, klar, aber die Anwesenheit des Verderbnisschattens erforderte stärkere Magie. Ich hab mal einem Zauberer einen Gefallen getan, und zum Dank gab er mir ein Amulett …« Zauberer verschenkten doch alle Nase lang irgendwelchen Firlefanz mit Runen darauf, oder etwa nicht? Zumindest in den Geschichten, die sie erzählte, taten sie das. Wolf zu ihren Füßen ächzte leise, es konnte demnach durchaus sein, dass sie schieflag.
Kisrah hob überrascht die Augenbrauen. »Ein Amulett? Wie kurios. Ich hab noch nie von einem auf ein Amulett übertragenen Versiegelungszauber gehört. Habt Ihr es bei Euch?«
Tja, ich lag schief.
Aralorn schüttelte den Kopf und schmückte ihre Lüge tapfer weiter aus. »Es war kein sehr großer Gefallen. Das Amulett selbst war die Hauptkomponente des Zaubers – man konnte es also nur einmal benutzen. Ich dachte mir, wenn nicht bei dem Verderbnisschatten, wann dann? Aber mein Onkel hat den Verderbnisschatten getötet, also ist es dort jetzt sicher. Ich komme mit Euch und hebe ihn auf.«
Er starrte sie eine Weile wortlos an. Der Blick seiner blassblauen Augen schien ausdrucksloser denn je. Doch sie war zehn Jahre lang Spionin gewesen; sie wusste, dass er nur sah, was sie ihn sehen lassen wollte. Unschuldig starrte sie zurück.
Sie log. Er wusste, dass sie log. Auch wenn er sie nicht zur Rechenschaft zog – was die Frage aufwarf, was er im Schilde führen mochte.
»Ich verstehe«, sagte Kisrah schließlich. »Nachdem der Verderbnisschatten fort war, habt Ihr Euch den Zauber, der Henrick fesselt, angesehen?«
Sie nickte. »Ich bin keine Expertin, aber ob etwas schwarze Magie ist, erkenne ich schon. Mein Onkel meinte, es fühlte sich an, als wäre mehr als ein Magier an der Ausführung beteiligt gewesen.«
»Schwarze Magie«, sagte er leise, und sie hatte den Eindruck, dass hier der echte Mensch sprach, dass er sich ein Mal nicht hinter seiner Fassade für die
Weitere Kostenlose Bücher