ARALORN - Der Verrat (German Edition)
die Kleinen auf fünf und acht Jahre und musste nicht lange überlegen, um sich zusammenzureimen, wer wohl mit »Vater« gemeint sein mochte. Falhart war der einzige ihrer Brüder, der alt genug war, um die beiden gezeugt haben zu können.
»Na gut«, sagte sie, ihre Freude verbergend – so müde sie auch war, eine Gelegenheit zum Geschichtenerzählen ließ man nicht aus. »Sagt Falhart, ich gäbe mich geschlagen. Sobald ich mit dem Essen fertig bin, komm ich rüber zum Kamin.«
Die beiden flitzten wieder los, um ihren Vater zu suchen, und Aralorn vertilgte den Rest ihres Brotes. Wolf gähnte, als sie den leeren Teller vom Boden klaubte und sich von der Tafel erhob.
»Komm schon, wir bringen das hier eben schnell in die Küche und …« Ihre Stimme verstummte, als sie Irrenna sah, die in diesem Moment geradewegs auf sie zukam.
Aber es war nicht Irrenna, weswegen sie mitten im Satz den Faden verlor, sondern vielmehr der Mann neben ihr. Extravagant in Bernsteingelb und Rubinrot gekleidet, sah Lord Kisrah mehr wie ein Hofstutzer aus als wie jemand, der jahrhundertealte Macht innehatte.
Irrennas Nachricht konnte ihn unmöglich schon erreicht haben; er musste zur Bestattung des Löwen angereist sein.
Nun gut , dachte Aralorn, wenn er bisher noch nicht gewusst hat, wer ihm da in der Nacht, als Geoffrey gestorben ist, in der Burg des ae’Magi begegnet ist, dann weiß er es jetzt . Selbst wenn er nichts mit dem Zusammenbruch ihres Vaters zu tun hatte, würde seine Begrüßung nicht gerade freundlich ausfallen. Und falls er doch für den Zustand ihres Vaters verantwortlich war … na ja, sie war auch nicht immer freundlich.
Sie riss sich zusammen, setzte ihre unschuldigste Miene auf und ging, den schmutzigen Teller in der Hand, mit festem Schritt auf die beiden zu.
»Du sagtest, du wärst nicht in der Lage, ihn aufzuwecken?«, fragte Irrenna.
Kisrah wirkte, wie Aralorn beobachtete, aufmerksam, aber nicht im Geringsten überrascht, ihr Gesicht in dieser Halle zu sehen. Er hatte demnach also schon bevor er hierherkam gewusst, wer sie war. Damit wanderte er auf ihrer Liste der Verdächtigen ganz nach oben.
»Das ist richtig«, erwiderte Aralorn. »Mein Onkel war einverstanden, mitzukommen und ihn sich anzusehen. Er kannte den Zauber, der Vater festhält, nicht, aber immerhin hat er uns den Verderbnisschatten vom Halse –«
»Verderbnisschatten?«, fiel Kisrah ihr stirnrunzelnd ins Wort.
Sie nickte. »Offensichtlich verfügte derjenige, der das hier gemacht hat, über ein ganzes Arsenal an schwarzen Künsten –«
» Schwarze Künste?«, unterbrach er sie abermals.
»Anscheinend habt Ihr noch nicht bei ihm reingeschaut«, sagte sie. »Wer immer ihn mit diesem Bannzauber belegt hat, hat schwarze Magie dafür benutzt. Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Verderbnisschatten explizit als schwarzmagisch bezeichnen lässt, aber er hat mich angegriffen, als ich das erste Mal in der Kammer Magie gewirkt hab – der Magier muss ihn da aufgestellt haben, um meinen Vater zu bewachen. Mein Onkel – der Bruder meiner Mutter, die eine Gestaltwandlerin ist – hat ihn identifiziert und ihn uns in einem Abwasch vom Halse geschafft.«
»Ich bitte um Entschuldigung, Lord Kisrah«, mischte Irrenna sich ein. »Darf ich Euch Aralorn, die älteste Tochter meines Gemahls, vorstellen? Aralorn, das ist Lord Kisrah, der ae’Magi. Er kam so schnell es ging her, als er hörte, was Henrick widerfahren ist.«
»Es hat eine Weile gedauert, den Zusammenhang zwischen Henricks Tochter und der Sianim-Söldnerin herzustellen, die mich der ae’Magi herbeiholen ließ«, sagte der Erzmagier und beugte sich über Aralorns Hand. »Ich nehme an, ich habe eher jemanden wie Eure Schwestern erwartet.«
Wolf an ihrer Seite versteifte sich und starrte Kisrah mit einem Interesse an, das definitiv das eines Raubtieres war. Sie krallte eine Hand fest in sein Fell, nur für den Fall, dass er auf dumme Gedanken kommen sollte. Sie hatte ihm nie von Kisrahs Rolle bei ihrer Gefangennahme und der anschließenden Folterung durch den ae’Magi erzählt, weil sie nicht einschätzen konnte, wie er darauf reagierte.
»Wie seid Ihr auf den Zusammenhang gekommen?«, fragte Irrenna, die von dem zwangsweisen Charakter von Kisrahs »Herbeiholung« nichts ahnte. »Sie hat sehr wenig Kontakt zu uns – weil sie Angst hat, dass ihre Arbeit uns in Gefahr bringen könnte, wie sie behauptet.«
Schwermut schlich sich in seine Züge, ein eigenartiger Kontrast zu der
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