Arcanum – Das Geheimnis
Jahrhunderten verlegt worden war. Nun klappte er das Blatt des kleinen olivgrünen Spatens, der vermutlich aus Armeebeständen stammte, in die richtige Position und stieß in die Erde unter der Platte. Er grub wenige Minuten, dann hörte man deutlich, wie er dumpf gegen etwas stieß. Vorsichtig legte er eine Art bleierne Kiste frei. Das weiche Metall war angelaufen aber unbeschädigt. Die Schachtel hatte ungefähr die Größe einer Zigarrenkiste. Sie zeugte trotz ihrer Schlichtheit von hoher handwerklicher Kunst, da sie vollkommen wasserdicht verschlossen worden war. Heinrich hob sie behutsam aus der Erde und stellte sie auf den Boden neben dem Loch. Er zog eines der in Deutschland verbotenen Springmesser aus seiner Jackentasche und öffnete es mit der Geschicklichkeit langjähriger Erfahrung.
Christopher kam der furchtbare Verdacht, dass Leute wie Heinrich so etwas vor allem im Nahkampf einsetzten. Er konzentrierte sich wieder auf die Schachtel. Das weiche Metall leistete dem Messer kaum Widerstand. Heinrich öffnete es wie eine Konservendose und klappte schließlich den Deckel nach oben. Darunter verbarg sich tatsächlich ein altes, tropfenförmiges Glasgefäß, das mit einem Glaskorken und Sigellack dicht verschlossen worden war und in einem Polster aus rotem Samt lag, der über die Jahrhunderte die lehmige Farbe alten Weines angenommen hatte.
Herbert drängte Heinrich beiseite und nahm das Kästchen in seine Hände. Das Glas war trübe, doch als er es dicht vor seine Augen hielt, strahlte er.
„Es ist mit einem fast schwarzen Sand gefüllt“, flüsterte er andächtig. Heinrich riss es ihm grob aus den Händen und erklärte grimmig, er habe seine Befehle, die besagten, dass er die Reliquie in Sicherheit bringen müsse und persönlich dafür verantwortlich sei.
Herbert nickte resigniert und Silvia drängte zur Eile, das Loch im Boden wieder zu verschließen und alle Spuren zu beseitigen, da sie im Konvent zu Vesper und Komplet erwartet würde.
Sie eilten hinaus in das dichte Schneetreiben, das inzwischen alles um sie herum wie mit einem kalten, weißen Tuch bedeckt hatte. Heinrich knipste die Taschenlampe aus, um kein Aufsehen zu erregen. In der vollkommenen Dunkelheit riss plötzlich der Himmel auf, und eine bleiche Mondsichel warf gespenstische Schatten der alten Gebäude und Bäume auf die weiße Leinwand der verschneiten Landschaft.
Christopher schaute zum Himmel und sah, wie der Orion gerade über dem Schwarzwald aufging. Kapella im Fuhrmann strahlte so hell in der Abgeschiedenheit des Odilienbergs, dass er den Fixstern zunächst für Jupiter hielt. Über ihm dominierte Kassiopeia den Zenit und er fragte sich, ob an 4ahau tatsächlich von irgendwo da oben ein Planet X oder ein riesiger Asteroid auf die Erde stürzen würde. Er wäre bereits tödlich nahe und doch unsichtbar bis wenige Augenblicke vor dem Einschlag.
Er zitterte vor Kälte und konzentrierte sich wieder auf den Weg.
Nach kurzem Fußmarsch erreichten sie das einfache Gästehaus des Klosters. Silvia händigte jedem von ihnen einen Zimmerschlüssel aus und verschwand in der Kirche.
Heinrich sah es als Selbstverständlichkeit an, dass er das wertvolle Artefakt behielt, und weder Christopher noch Herbert hatten große Lust, ihn von etwas anderem zu überzeugen. Vielleicht war es so am sichersten. Ein Dieb jedenfalls hätte bei ihm die geringsten Chancen.
Sie gingen an der Rezeption vorbei, die nicht besetzt war, und fanden die einfachen Zimmer, die Silvia für sie reserviert hatte.
Heinrich verschwand ohne weiteren Kommentar, während Christopher und Herbert sich zum Abendessen im Speisesaal verabredeten. Christopher ging auf sein Zimmer und stellte erstaunt fest, dass Silvia offensichtlich an die Dinge gedacht hatte, die man für eine Hotelübernachtung mitbrachte.
Zahnpasta und eine neue Zahnbürste standen in einem Glas, daneben lagen ein Einwegrasierer und eine Haarbürste. Christopher war durchgefroren. Bis zum Abendessen war es noch eine Stunde. Er stellte sich unter die heiße Dusche, sodass das kleine Badezimmer nach wenigen Augenblicken in dichten Nebel gehüllt war. Als er nach einer Viertelstunde das Wasser abstellte, war seine Haut aufgeweicht und rosa wie die eines Babys. Er fühlte sich schläfrig und rubbelte sich energisch ab, um die Müdigkeit zu vertreiben. Nachdem er seine Kleider wieder angelegt hatte, stellte er fest, dass es keinen Pyjama gab. Ob Silvia ganz bewusst auf dieses Utensil verzichtet hatte? Der Gedanke
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