Arche
Plunder vom Pike Place Market, aber nichts davon eignete sich wirklich als Waffe. Er würde sich den Kerl persönlich vorknöpfen müssen.
Er kauerte sich mit Dilara hinter einen Schaltkasten zwischen
dem ersten und dem zweiten Wagen. Aus dem hinteren Wagen waren Aufschreie zu hören, aber keine Schüsse. Vermutlich hatten die Fahrgäste die Maschinenpistole gesehen. Sein Verfolger war offensichtlich ein Profi, er würde also keine Kugeln verschwenden, solange ihm niemand in den Weg kam. Tyler spähte die Wagen hinunter. Was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Der Schütze war im dritten Wagen angekommen. Es war höchste Zeit, dass er sich etwas einfallen ließ, wenn er ein Blutbad verhindern wollte.
»Kriechen Sie ganz nach vorn, Dilara. Nehmen Sie mein Handy und verständigen Sie die Polizei. Warten Sie, bis ich Ihnen ein Zeichen gebe. Dann stehen Sie auf. Sorgen Sie dafür, dass der Gangster Sie sieht.« Er wusste, dass er ein riskantes Spiel wagte, aber es war ihre einzige Chance.
In Dilaras Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Angst und Nicht-schon-wieder, aber sie durchschaute sofort, was er vorhatte.
»Ich soll ihn ablenken.«
»Richtig. Uns bleibt wenig Zeit. Los.«
Dilara glitt nach vorne. Tyler sah, wie der Gangster sich näherte. Der Mann war so gelassen, als wäre er nicht zum ersten Mal auf Menschenjagd. Zehn Sekunden. Dann stand er vor dem Versteck. Tyler gab das verabredete Zeichen.
Dilara richtete sich auf und hämmerte an die vordere Scheibe. Der Gangster, der gerade einen weiteren Fahrgast musterte, sah auf, hob die Waffe und zielte. Gerade als er feuern wollte, versetzte Tyler ihm einen heftigen Stoß mit dem Bein. Die Kugeln spritzten hoch und zerschmetterten das linke Seitenfenster. Schreie gellten durch die Bahn. Tyler schlug mit dem Ellbogen nach dem Kopf seines Gegners und entwand dem benommenen Mann die Waffe.
Doch bevor er sie auf seinen Angreifer richten konnte, legte der die Hände um Tylers Hals. Beide fielen zu Boden, Tyler zuunterst. Wie ein Schraubstock umklammerte der Gangster Tyler und schnitt ihm die Blutzufuhr zum Kopf ab. Tyler ließ die MP fallen, aber er schaffte es nicht, die Hände seines Gegners zu lockern. Sein Blickfeld verengte sich. Wenn es ihm nicht gelang, den Kerl abzuschütteln, wäre er tot, noch bevor der Zug in den Bahnhof einlief. Da drehte der Mann überrascht den Kopf zur Seite und ließ sein Opfer mit einer Hand los, um sich zu verteidigen. Aber es war zu spät. Ein Gegenstand bohrte sich tief in sein Auge. Entsetzt schrien die Fahrgäste auf. Der Mann erschlaffte und brach über Tyler zusammen.
Tyler rieb sich den Hals. Er hustete, bis er wieder durchatmen und den Mann von sich schieben konnte. Ein Zinnsouvenir der Space Needle ragte aus dem Auge des Toten. Er blickte auf. Wer mochte ihn gerettet haben? Dilara sah ihn geschockt und gleichzeitig erleichtert an.
»Wie leid ich diese Verbrecher bin«, schluchzte sie.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Tyler heiser.
Sie nickte. »Ich wollte ihn nicht töten … ich wollte sein Ohr treffen, damit er loslässt, aber er hat den Kopf gedreht und …« Sie verstummte und starrte den Mann an, dessen totes Auge zurückstarrte.
Tyler stand auf und legte den Arm um sie. »Das haben Sie großartig gemacht. Danke. Ist jemand hier verletzt?«, fragte er laut. Mehrere Leute schüttelten den Kopf. Er ließ den Blick über die Mitreisenden gleiten, die ängstlich zurückgewichen waren und nun entsetzt den Toten auf dem Boden anstarrten. Einige weinten, verletzt schien tatsächlich niemand zu sein.
Tyler blickte aus dem Fenster. Sie fuhren gerade in den Bahnhof im Seattle Center ein. Zu spät, um vorher anzuhalten. Er konnte nur hoffen, dass die Polizei schon da war. Keine
Minute länger wollte er in diesem Zug festsitzen. Der zweite Mann, den er in der Schaufensterscheibe gesehen hatte, würde ihnen bestimmt noch auflauern. Wenn der eine so dreist gewesen war, ihnen bis in die Bahn zu folgen, würde auch der andere nicht sang- und klanglos aufgeben.
Der Zug hielt an, und die Türen öffneten sich. Tyler zog Dilara an der Hand. »Steigen wir aus.« Um nicht von der Polizei erschossen zu werden, weil sie ihn für einen Gangster hielt, ließ er die Maschinenpistole liegen.
Am Ausgang sahen sie, wie ein Streifenwagen dreißig Meter entfernt auf dem Gehweg mit kreischenden Bremsen zum Halt kam. Nun konnten sie aufatmen. Die Polizei war da. Mit Sicherheit würden noch weitere Wagen folgen. Doch der Mann, der
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