Arche
Die Möglichkeit einer Verspätung war ihm bei diesen idealen Wetterverhältnissen gar nicht in den Sinn gekommen. War das Gerät einmal aktiviert, konnte es nicht mehr abgeschaltet werden. Sollte der Flieger zurück aufs Vorfeld rollen, würde er es irgendwie wieder an sich bringen müssen. Nur, anfassen konnte er es jetzt nicht mehr. Hilflos sah er zu dem wartenden Flugzeug und machte das Einzige, was ihm übrig blieb. Er betete. Aufs Lenkrad gestützt, betete er mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen inbrünstig um Erfolg für seine Mission. Gott würde ihn nicht im Stich lassen. Sein Glaube würde stärker sein als alle Hindernisse.
Schon sein ganzes Leben lang wusste Cutter, dass es ihm bestimmt war, einem höheren Zweck zu dienen. Nach seiner Entlassung aus der Armee hatte er die gute Sache endlich gefunden und sich ihr mit Leib und Seele verschrieben. Seine militärische Ausbildung konnte er nun für die Durchführung des göttlichen Plans einsetzen. Die Ungläubigen mochten das, was er im Namen einer besseren Zukunft tat, vielleicht barbarisch nennen, aber seine Seele war rein. Der Zweck heiligte die Mittel.
Nach vierzig Minuten Warten geschah tatsächlich ein Wunder. Cutters Abhörgerät meldete sich.
»Flug N-348 Zulu, hier ist der Tower. Der Treibstoff wurde entfernt. Sie erhalten Starterlaubnis.«
»Danke, Tower. Noch eine Minute und ich wäre meinen Job los gewesen.«
»Gern geschehen, George. Viel Spaß in Sydney.«
Zwei Minuten später raste der Jet über die Startbahn. Als er in Richtung Westen verschwand, schloss Cutter die Motorhaube und stieg wieder ins Auto. Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte er.
Gott stand auf seiner Seite.
3. KAPITEL
Der Wind peitschte über das Landungsfeld der Ölplattform Scotia One, dreihundert Kilometer südöstlich von Neufundland, und sorgte dafür, dass der Windsack unverändert prall nach Osten wies. Die Neufundlandbank war für ihr schlechtes Wetter berüchtigt, und eine Windgeschwindigkeit von fünfzig Stundenkilometern bei knapp fünf Meter hohen Wellen war nichts Ungewöhnliches. Dennoch fragte sich Dr. Tyler Locke neugierig, was für eine Frau das wohl sein mochte, die den Mut hatte, ihn unter diesen Umständen hier draußen aufzusuchen.
Er lehnte sich an die Reling und hielt Ausschau nach dem Transporthelikopter. Weit und breit nichts zu sehen. Locke schloss den Reißverschluss seiner Fliegerjacke und genoss in tiefen Zügen den Geruch von salziger Gischt und Rohöl.
In den sechs Tagen auf der Bohrinsel war ihm keine freie Minute vergönnt gewesen. An der Reling zu stehen und über den weiten Atlantik zu blicken, war eine willkommene Pause, um seine Batterien wieder aufzuladen. Er war kein Typ, der den lieben langen Tag vor dem Fernseher hockte. Am liebsten
stürzte er sich in eine Aufgabe und biss sich so lange die Zähne daran aus, bis sie gelöst war. Das hatte ihm auch seine Frau Karen nicht abgewöhnen können. Nächstes Jahr, hatte er immer zu ihr gesagt, nächstes Jahr machen wir einen ganz langen Urlaub. Gedankenverloren wollte er mit seinem Ehering spielen. Erst als er den nackten Finger spürte, fiel ihm ein, dass da kein Ring mehr war. Rasch legte er die Hände auf die Reling. In diesem Moment näherte sich ihm Al Dietz von der Landungscrew. Neben dem Hünen Tyler Locke mit seinen 1,90 Metern und rund hundert Kilo wirkte der drahtige Dietz wie ein Zwerg.
»Tag, Tyler. Wollen Sie die Landung miterleben?«
»Tag, Al«, entgegnete er. »Ich erwarte Besuch. Wissen Sie, ob eine Dilara Kenner an Bord ist?«
Al Dietz schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich weiß nur, dass es heute fünf Passagiere sind. Wenn Sie wollen, können Sie drinnen warten, und ich bringe die Dame zu Ihnen, wenn sie eintrifft.«
»Danke, aber ich bin gern hier draußen. Vor diesem Auftrag musste ich in einem eingestürzten Bergwerksschacht in West Virginia arbeiten. Nach einer Woche Kohlenstaub würde es mir selbst bei vierzig Grad minus nichts ausmachen, an der frischen Luft zu sein. Außerdem ist die Dame so nett, sich extra wegen mir herzubemühen, da möchte ich sie schon persönlich begrüßen.«
»Die Maschine müsste in einer Minute zu sehen sein. Hoffen wir, dass sie sie nicht verpasst hat, sonst dürfte es eine Weile dauern, bis sie kommt. Es heißt nämlich, wir kriegen für wenigstens vierundzwanzig Stunden eine dicke Suppe.« Dietz wedelte zum Abschied mit der Hand, als er sich von Tyler abwandte, um die Vorbereitungen zur Landung des
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