Archer Jeffrey
und täglich länger arbeiteten als irgendeiner ihrer Kollegen, so als müßten sie immer noch etwas beweisen, und sei es nur einander. Es schien, als verlangte das Gesetz der Symmetrie, daß sie stets gleichrangig bewertet wurden – bis in der Liste der Titelverleihungen zu Neujahr angekündigt wurde, daß Philippa zur Dame of the British Empire ernannt worden war.
„Wenigstens unsere geliebte Königin hat also erkannt, wer von uns beiden wirklich Anerkennung verdient“, sagte sie bei der Nachspeise im College.
„Unsere geliebte Königin“, bemerkte William, während er einen Madeira wählte, „weiß nur zu gut, wie schwach die Konkurrenz an den Mädchen-Colleges ist. Manchmal muß man deshalb auch schwächere Kandidaten ermutigen, in der Hoffnung, dadurch ein wirkliches Talent weiter unten auf der Leiter anzuspornen.“
Danach bewog Philippa den Zeremonienmeister, wann immer sie und William gemeinsam in der Öffentlichkeit auftraten, sie als „Professor William und Dame Philippa Hatchard“ anzukündigen. Sie hoffte auf viele glückliche Jahre, in denen sie bei jedem offiziellen Anlaß ihrem Mann um eine Nasenlänge voraus sein würde; doch ihr Triumph währte nur sechs Monate, da William anläßlich des Geburtstages der Königin in den Ehrenritterstand erhoben wurde. Philippa heuchelte Erstaunen angesichts dieser für die geliebte Königin uncharakteristischen Fehleinschätzung und bestand von nun an darauf, daß sie in der Öffentlichkeit als „Sir William und Dame Philippa Hatchard“ vorgestellt wurden.
In all den Jahren gaben sie nie ihre gespielte Überzeugung auf, daß der andere geistig zurückgeblieben sei. Philippas Bücher, „Werke von beachtlichem Rang“, wie sie behauptete, wurden von der Oxford University Press veröffentlicht, während Williams Arbeiten, denen er „monumentale Bedeutung“ zuschrieb, von der Universität Cambridge herausgegeben wurden.
Die Anzahl neuernannter Professoren der Anglistik, die die beiden ausgebildet hatten, hatte bald zweistellige Ziffern erreicht.
„Wenn du die Techniker mitzählst, muß ich Maguires
Dozentur in Kenia dazurechnen“, sagte William.
„Der Professor für Anglistik in Nairobi war nicht dein
Schüler“, antwortete Philippa, „sondern meiner. Hingegen hat
das Staatsoberhaupt bei dir studiert, was durchaus zu dem
Umstand beigetragen haben mag, daß die dortige Universität
so hoch eingeschätzt wird, während im Land bekanntlich
desolate Zustände herrschen.“
Anfang der sechziger Jahre führten sie einen schriftlichen
Krieg im Times Literary Supplement über Philip Sidneys
Werke, ohne dieses Thema je in der Gegenwart des anderen
anzuschneiden. Schließlich verfügte der Herausgeber, daß
diese Korrespondenz beendet werden müsse, und erklärte die
Schlacht für unentschieden. Beide erklärten, er sei ein Idiot.
Wenn es etwas gab, das William im Alter an Philippa störte, dann war es ihre starrsinnig aufrechterhaltene Gewohnheit, jeden Morgen das Kreuzworträtsel in der Times zu lösen, bevor er an den Frühstückstisch kam. Eine Zeitlang bestellte William zwei Exemplare der Zeitung, bis Philippa schließlich in beiden das Rätsel ausfüllte und ihm dabei erklärte, daß er sinnlos Geld verschwende.
An einem Morgen im Juni, gegen Ende ihres letzten akademischen Jahres vor der Pensionierung, kam William zum Frühstück und stellte fest, daß in dem Kreuzworträtsel nur noch ein Wort für ihn zu knacken war. Er studierte die Legende: „Skelton berichtete, daß dies in der Suppe landete.“ Sofort füllte er die acht Felder aus.
Philippa sah ihm über die Schulter. „So ein Wort gibt es nicht, du arroganter Kerl“, sagte sie entschieden. „Du hast es erfunden, um mich zu ärgern.“ Dabei stellte sie ein sehr hart gekochtes Ei vor ihn hin.
„Natürlich gibt es dieses Wort, du dummes Weibsbild; schlag nach im Wörterbuch unter ,Whym-wham’.“
Philippa schlug im Shorter Oxford Dictionary nach, das zwischen den Kochbüchern in der Küche stand, und posaunte ihre Freude darüber hinaus, daß das Wort nirgends zu finden sei.
„Meine liebe Dame Philippa“, sagte William, als wende er sich an einen besonders minderbemittelten Schüler, „du wirst dir doch sicher nicht einbilden, daß du, weil du alt bist und dein Haar sehr weiß geworden ist, weise bist. Du mußt begreifen, daß das Shorter Oxford Dictionary für Einfaltspinsel zusammengebastelt wurde, deren englischer Wortschatz sich auf höchstens hunderttausend Wörter
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