Archer Jeffrey
klaren.
Raymond ging zu Bett, als er mit 236 zu 191 vor Simon in Führung lag, und wußte, daß die ländlichen Grafschaften am Morgen das Ergebnis zu seinen Ungunsten verändern würden. Andrew hatte vier Sitze gewonnen und einen verloren, womit die Allianz während der Nacht zweiunddreißig Sitze verbuchen konnte.
Am nächsten Morgen um sechs stimmten Radio- und Fernsehkommentatoren mit der Schlagzeile des Daily Mail überein: ›Patt‹ Raymond und Joyce nahmen, während die ländlichen Wahlkreise den Konservativen ihre traditionelle Treue hielten, den Frühzug nach London. Simon fuhr nach Pucklebridge; er erhielt eine Rekordmehrheit. Gern hätte er ein paar tausend Stimmen für jene gefährdeten Sitze verwendet, wo nicht alles so ging, wie er wollte. Als Raymond um halb zwölf in Downing Street ankam, stand es 287 zu 276, und die Allianz hatte vierundvierzig Sitze.
Um zwölf Uhr mittag schwenkten die Kameras aller vier Kanäle nach Edinburgh, wo der Sheriff erklärte, Andrew Fraser werde mit einer Mehrheit von siebentausend Stimmen ins Parlament zurückkehren. Das Fernsehen zeigte den Sieger mit hocherhobenen Armen. Auf der SDP-Tabelle stieg die Zahl auf vierundfünfzig Sitze, und um ein Uhr errangen die Sozialdemokraten mit nur zweiundsiebzig Stimmen ihren sechsundvierzigsten Sitz – ein Resultat, das Simon traurig stimmte.
»Ohne Alec Pimkin wird das Unterhaus nicht mehr das gleiche sein«, sagte er zu Elizabeth.
Freitag nachmittag hatten die zwei großen Parteien je 292 Sitze; nur zwei sichere Tory-Sitze waren noch ausständig. Simon behielt den einen, Andrew aber gewann nach dreimaliger Auszählung den anderen.
Um vier Uhr verkündete Lord Day of Langham vom BBCStudio aus das entgültige Resultat der Wahlen von 1991:
Konservative 293
Labour 292
SDP/Liberale 47
Speaker Lord Day wies darauf hin, daß die Stimmenauszählung ein noch ausgewogeneres Verhältnis widerspiegelte: Labour erhielt 12246341 Stimmen (35,2 Prozent), Konservative 12211907 (35,1 Prozent) und die Allianz 8649881 (25,4 Prozent). Ein solches Ergebnis habe er, so sagte er den Zuhörern, in seiner sechsunddreißigjährigen Laufbahn als Journalist noch nie erlebt. Er entschuldigte sich, kein Interview mit Andrew Fraser bringen zu können, von dem es jetzt abhinge, wer die nächste Regierung bilden werde.
Andrew rief zuerst Simon an, dann Raymond. Er ließ sich von beiden sagen, was sie zu bieten bereit waren, um dann zu erklären, daß er am Sonntag in London eine Konferenz mit seinen Abgeordneten abhalten und sie um ihre Meinung fragen werde. Nach dieser Entscheidung sollte, so hoffe er, Montag eine Regierungsbildung möglich sein.
Begleitet von einer Unzahl Journalisten flogen Andrew und Louise Samstag früh nach London, doch als Andrew vor dem Flughafen in ein Taxi verschwand, hatte die Presse nichts zu berichten.
Sir Duncan sagte zum Reporter Scotsman, sein Sohn werde natürlich die Konservativen unterstützen, während der ehemalige Premier von seinem Krankenlager aus verkündete, Andrew sei im Herzen stets ein guter Sozialist gewesen und werde sich nie mit den Konservativen identifizieren.
Samstag hielt Andrew mit den älteren Mitgliedern der Allianz verschiedene Besprechungen ab, um die Ansichten seiner alten und neuen Kollegen zu erfahren. Er ging zu Bett, ohne einen klaren Auftrag erhalten zu haben, und als ein Reporter meinte, niemand wisse, wie die Allianz am nächsten Tag abstimmen werde, fügte Andrew laut hinzu: »Ich auch nicht.« Er überlegte lang, was er von den beiden Männern wußte und wofür sie standen; das half ihm schließlich, sich für die Partei zu entscheiden, die seiner Ansicht nach die Regierung bilden sollte.
Am nächsten Morgen mußten er und seine Kollegen auf dem Weg zu dem gut bewachten Sitzungszimmer im dritten Stock zwischen Journalisten und Photographen Spießruten laufen. Der Sekretär hatte absichtlich eines der weniger zugänglichen Zimmer gewählt und den Aufsichtsbeamten angewiesen sich zu versichern, daß alle Aufnahmegeräte abgeschaltet waren.
Andrew eröffnete die Zusammenkunft und gratulierte seinen Kollegen zu ihrer Wahl ins Unterhaus. »Wir müssen jedoch immer daran denken, daß man uns nie verzeihen würde, wenn wir unsere Macht unverantwortlich gebrauchten. Eine Partei unterstützen, unsere Meinung nach ein paar Wochen ändern und nochmals Neuwahlen vom Zaun brechen, das können wir uns nicht leisten. Wir müssen uns unserer Verantwortung bewußt sein, sonst verlieren wir bei den nächsten
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