Archer Jeffrey
schließlich.
»Er wird alles persönlich genommen haben. Wäre doch nur
Kathy noch einen Tag länger geblieben.«
»Ich kümmere mich um Luke«, versprach Nat. »Du holst am
besten deine Mutter und bringst sie über Nacht zu uns.« »Ich rufe sie an, sobald wir zu Hause sind«, sagte Su Ling.
»Möglicherweise hat sie nicht einmal ferngesehen.«
»Keine Chance«, meinte Nat, als er in die Auffahrt bog. »Sie
ist mein treuester Fan und verpasst keinen meiner
Fernsehauftritte.«
Nat legte den Arm um Su Ling, als sie auf die Haustür
zugingen. Im Haus brannte kein Licht, außer in Lukes Zimmer.
Nat steckte den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und sagte:
»Ruf deine Mutter an. Ich sehe schnell nach Luke.«
Su Ling ging zum Telefon im Flur, während Nat langsam die
Treppe hochstieg und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er
wusste, Luke würde auf jede Frage eine wahrheitsgemäße
Antwort erwarten. Er ging den Flur entlang und klopfte leise an
die Tür seines Sohnes. Es kam keine Antwort, also versuchte
Nat es erneut und rief: »Luke, darf ich hereinkommen?« Immer
noch keine Antwort. Er öffnete die Tür einen Spalt breit und sah
hinein, aber Luke war nicht im Bett und keins seiner
Kleidungsstücke lag wie üblich ordentlich gefaltet über dem
Stuhl. Nats erste Reaktion war, dass Luke zu seiner Großmutter
geflüchtet sein musste. Er machte das Licht aus und lauschte,
wie Su Ling mit ihrer Mutter sprach. Er wollte gerade zu ihr
nach unten, als ihm auffiel, dass Luke das Licht im Badezimmer
hatte brennen lassen. Er beschloss, es auszuschalten.
Nat ging zum Bad und stieß die Tür auf. Einen Augenblick
lang starrte er reglos zu seinem Sohn hoch. Dann fiel er auf die
Knie, unfähig, noch einmal aufzusehen, obwohl er wusste, dass
er Lukes baumelnden Körper herunterholen musste, damit das
nicht die letzte Erinnerung wäre, die Su Ling von ihrem einzigen
Kind hätte.
*
Annie nahm den Hörer ab und lauschte. »Es ist für dich. Charlie vom Courant « , sagte sie gleich darauf und reichte den Hörer an Fletcher weiter.
»Haben Sie das Rededuell im Fernsehen gesehen?«, fragte der
Leiter des Ressorts Politik, als Fletcher sich meldete.
»Nein«, erwiderte Fletcher, »Annie und ich verpassen nie eine
Folge von Seinfeld. «
»Touché. Wollen Sie eine Erklärung dazu abgeben, dass die
Ehefrau Ihres Rivalen eine illegale Einwanderin und ihre Mutter
eine Prostituierte ist?«
»Ja. Ich denke, David Anscott hätte den Fragesteller
unterbrechen müssen. Das war doch ganz offensichtlich von Anfang an eine billige Schiebung.«
»Darf ich Sie zitieren?«, fragte Charlie. Jimmy schüttelte heftig den Kopf.
»Ja, das dürfen Sie, denn im Vergleich dazu hatte alles, was Nixon ausgebrütet hat, nur das Niveau der Muppet Show. «
»Es wird Sie freuen zu hören, Herr Senator, dass Ihre Instinkte der öffentlichen Meinung entsprechen. Die Telefonzentrale des Senders wurde mit Sympathiekundgebungen für Nat Cartwright und seine Frau überhäuft und ich wette, Elliot wird morgen vernichtend geschlagen.«
»Das macht es für mich umso schwerer«, erwiderte Fletcher, »aber wenigstens hat die ganze Welt erfahren, was für ein Mistkerl Ralph Elliot ist.«
»Ich frage mich, ob das klug war«, meinte Jimmy im Anschluss.
»Ganz sicher nicht«, erwiderte Fletcher. »Aber dein Vater hätte genau dasselbe gesagt.«
*
Als der Krankenwagen eintraf, beschloss Nat, den Leichnam seines Sohnes ins Krankenhaus zu begleiten, während seine Mutter hilflos versuchte, Su Ling zu trösten.
»Ich komme sofort zurück«, versprach er, bevor er seine Frau sanft küsste.
Als er die zwei Sanitäter im Krankenwagen sah, die schweigend zu beiden Seiten der Leiche saßen, erklärte er, dass er ihnen in seinem eigenen Auto folgen würde. Sie nickten nur.
Die Belegschaft des Krankenhauses versuchte, so mitfühlend wie möglich zu sein, aber es gab Formblätter, die ausgefüllt, und Verfahrensweisen, die eingehalten werden mussten. Sobald Nat das erledigt hatte, ließ man ihn allein. Er küsste Luke auf die Stirn und wandte sich vom Anblick der roten und schwarzen Striemen um Lukes Hals ab. Nat wusste, die Erinnerung daran würde ihn den Rest seines Lebens verfolgen.
Nachdem er Lukes Gesicht mit einem Laken zugedeckt hatte, verließ Nat seinen geliebten Sohn, ging an Menschen mit gesenkten Köpfen vorbei, die leise ihr Beileid aussprachen. Er musste zurück zu Su Ling, doch zuvor hatte er noch jemand anderem einen Besuch abzustatten.
Nat fuhr wie auf
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