Archer Jeffrey
die Dusche und stellte sich unter das eiskalte Wasser. Nachdem er frische Sachen angezogen hatte, ging er zu seiner Frau in die Küche. Auf der Ablage lag sein Terminkalender für den Wahltag; keine Erwähnung eines Gerichtsauftritts unter Mordanklage.
Tom tauchte um 9 Uhr auf. Er berichtete, dass die Wahl zügig vonstatten ging. Als ob in Nats Leben sonst nichts geschehen wäre.
»Sie haben direkt nach dem Fernsehinterview eine Umfrage durchgeführt«, erzählte er Nat, »und dabei lagst du mit 63 zu 37 vorn.«
»Das war allerdings, bevor ich verhaftet wurde«, wandte Nat ein.
»Möglicherweise hättest du sonst einen Vorsprung von 70 zu 30«, scherzte Tom. Keiner lachte.
Tom tat sein Bestes, um sie auf den Wahlkampf einzuschwören und sie von jedem Gedanken an Luke abzulenken. Es funktionierte nicht. Er sah zur Küchenuhr. »Wir müssen los«, sagte er zu Nat, der sich daraufhin umdrehte und Su Ling in den Arm nahm.
»Nichts da, ich komme mit«, erklärte sie. »Nat mag ihn nicht ermordet haben, aber ich hätte es getan, wenn ich gekonnt hätte.«
»Ich auch«, meinte Tom sanft, »aber ich muss euch warnen – vor dem Gericht wird sich ein Medienzirkus abspielen. Alles, was ihr sagt, wird auf den Titelseiten landen.«
Als sie das Haus verließen, wurden sie von einem Dutzend Journalisten und drei Kamerateams empfangen, die ihnen zusahen, wie sie in den Wagen stiegen. Nat klammerte sich an Su Lings Hand, als sie durch die Straßen gefahren wurden. Er merkte gar nicht, wie viele Menschen ihm zuwinkten, sobald sie ihn erkannten. Als sie fünfzehn Minuten später vor der Treppe zum Gericht ankamen, sah sich Nat der größten Menschenmenge seiner gesamten Wahlkampfzeit gegenüber.
Der Polizeichef hatte das Problem vorausgesehen und zwanzig Uniformierte abgeordnet, die die Massen zurückhalten und einen Korridor schaffen sollten, damit Nat und seine Begleiter das Gebäude unbehelligt betreten konnten. Doch das funktionierte nicht, weil zwanzig Streifenbeamte nicht ausreichten, um die Horden von Fotografen und Journalisten zurückzuhalten, die laut brüllten und Nat und Su Ling auf den Stufen zum Gericht bedrängten. Mikrofone wurden in Nats Gesicht gehalten und Fragen prasselten aus allen Richtungen auf ihn nieder.
»Haben Sie Ralph Elliot ermordet?«, verlangte ein Reporter zu wissen.
»Ziehen Sie Ihre Kandidatur zurück?«
»War Ihre Mutter eine Prostituierte, Mrs Cartwright?«
»Glauben Sie, dass Sie immer noch gewinnen können, Nat?«
»War Rebecca Elliot Ihre Geliebte?«
»Wie lauteten die letzten Worte von Ralph Elliot, Mr Cartwright?«
Als sie durch die Schwingtüren traten, sahen sie Jimmy Gates, der am anderen Ende der Halle auf sie wartete. Er führte Nat zu einer Bank vor dem Verhandlungssaal und informierte seinen Mandanten, was nun geschehen würde.
»Ihr Auftritt wird nur etwa fünf Minuten dauern«, erklärte Jimmy.
»Sie müssen Ihren Namen nennen, danach wird die Anklage verlesen und man wird Sie fragen, wie Sie sich bekennen. Sobald Sie auf ›nicht schuldig‹ plädiert haben, bitte ich um eine Kaution. Der Staat wird 50000 Dollar verlangen, dem stimme ich zu. In dem Augenblick, in dem Sie alle notwendigen Papiere unterzeichnet haben, werden Sie auf freien Fuß gesetzt und müssen erst zu Prozessbeginn wieder vor Gericht erscheinen.«
»Wann wird das sein?«
»Normalerweise dauert es sechs Monate, aber ich habe darum gebeten, dass der Vorgang angesichts der anstehenden Wahl beschleunigt wird.« Nat bewunderte das professionelle Vorgehen seines Rechtsbeistands und er erinnerte sich, dass Jimmy Fletcher Davenports engster Freund war. Doch wie jeder gute Anwalt, dachte Nat, verstand es Jimmy, Berufliches und Privates klar zu trennen.
Jimmy sah auf die Uhr. »Wir müssen hinein. Das Letzte, was wir jetzt brauchen können, ist ein Richter, der auf uns warten muss.«
Nat betrat den vollen Gerichtssaal und schritt mit Tom an seiner Seite langsam den Mittelgang entlang. Es überraschte ihn, wie viele Menschen ihm die Hand entgegenstreckten und ihm Glück wünschten. Es ähnelte mehr einem Parteitag als einem Gerichtstermin. Als sie im vorderen Teil angelangt waren, hielt Jimmy eine kleine Holzpforte auf, die den eigentlichen Verhandlungsbereich von den Schaulustigen trennte. Er führte Nat an einen Tisch auf der linken Seite und bat ihn, sich neben ihn zu setzen. Während sie auf den Richter warteten, sah Nat zu Richard Ebden, dem Staatsanwalt – ein Mann, den er immer bewundert hatte. Er wusste, dass Ebden
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