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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mann von Ehre
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gemacht werden könnten.« Ich konnte damals nicht wissen, worauf er anspielte; ich vermutete, daß er seelisch irgendwie die Fassung verloren hatte. In den letzten Tagen ihres Lebens hatten sich mir viele Gefangene anvertraut; und einige standen eindeutig am Rande des Wahnsinns.
Adam hielt inne, um darüber nachzudenken, wie er sich unter solchen Umständen verhalten hätte; er beschloß weiterzulesen; er wollte sehen, ob sein Vater gehandelt hatte, wie er es sich vorstellte.
    Allerdings klangen die letzten Worte, die Göring dann noch an mich richtete, kaum wie die eines Verrückten. Er sagte schlicht: »Seien Sie versichert: Es ist ein Meisterwerk. Sie sollten seinen Wert auf keinen Fall unterschätzen.« Er zündete sich eine Zigarre an, genau so wie jemand, der es sich nach einem guten Essen im Club gemütlich macht. Jeder von uns hatte seine eigene Theorie darüber, wer ihm die Zigarren hereinschmuggelte. Wir fragten uns auch, was wohl von Zeit zu Zeit hinausgeschmuggelt worden war.
    Ich steckte den Brief in meine Rocktasche und trat zu dem Korporal auf den Korridor hinaus. Gemeinsam kontrollierten wir anschließend die anderen Zellen, um uns zu vergewissern, daß alle Gefangenen auch in dieser Nacht sicher hinter Schloß und Riegel saßen. Nach der Inspektion kehrte ich in mein Büro zurück. Da ich überzeugt war, daß weiter nichts Dringendes zu erledigen war, machte ich mich daran, meinen Tagesrapport zu schreiben. Den Briefumschlag behielt ich in der Tasche meiner Uniformjacke, mit dem festen Vorsatz, ihn gleich nach Görings Hinrichtung am nächsten Morgen zu öffnen.
    Ich prüfte eben noch einmal die Tagesbefehle, als der Korporal ohne anzuklopfen zu mir ins Zimmer stürzte. »Göring, Sir, Göring!« schrie er völlig außer sich. Das panische Entsetzen, das ihm ins Gesicht geschrieben stand, ersparte mir jede Frage. Wir rannten zur Zelle des Reichsmarschalls zurück.
    Göring lag, das Gesicht nach unten, auf seinem Feldbett. Ich drehte ihn um. Er war bereits tot, wie ich feststellte. In dem darauffolgenden Durcheinander habe ich Görings Brief völlig vergessen. Die Autopsie, die einige Tage danach durchgeführt wurde, ergab, daß der Reichsmarschall an Gift gestorben war. Und das Gericht kam zu dem Schluß, daß die Zyankalikapsel, die in seinem Körper gefunden worden war, in einer seiner Zigarren versteckt gewesen sein mußte.
    Da ich Göring als letzter, allein, ohne Zeugen gesehen hatte, reichte schon ein bißchen Getuschel, und im Zusammenhang mit seinem Tod wurde mein Name genannt. An solchen Anschuldigungen ist selbstverständlich nicht das Geringste wahr. Ich hatte nie auch nur einen Augenblick gezweifelt, daß das Nürnberger Tribunal in diesem Fall ein korrektes Urteil gefällt und daß Göring es verdient hatte, für seine Rolle im Krieg gehenkt zu werden.
    Die ständigen Beschuldigungen hinter meinem Rücken – ich hätte die Zigarren eingeschmuggelt und Göring möglicherweise absichtlich zu einem leichten Tod verholfen – kränkten mich dermaßen, daß ich den einzigen ehrenhaften Ausweg aus diesem Dilemma darin sah, sofort um meinen Abschied einzureichen, um nicht weiter Schande über mein Regiment zu bringen. Als ich dann gegen Ende des Jahres nach England zurückkehrte und mich endgültig entschloß, die Uniform an den Nagel zu hängen, stieß ich wieder auf den Briefumschlag. Und als ich Deiner Mutter den genauen Hergang des Vorfalls schilderte, flehte sie mich an, das Kuvert zu vernichten; sie war der Ansicht, daß die ganze Sache unserer Familie schon genug Unheil gebracht hätte, und selbst wenn das Kuvert irgendeinen Hinweis enthielte, wer Göring zu seinem Selbstmord verholfen hat, würde das ihrer Meinung nach auch niemandem mehr nützen. Ich erklärte mich bereit, ihren Wunsch zu erfüllen.
    Obwohl ich den Brief nie geöffnet habe, brachte ich es dann aber doch nie über mich, ihn zu vernichten, da ich Görings letzte Worte mit dem Hinweis auf ein Meisterwerk nicht vergessen konnte. Und so versteckte ich den Brief schließlich zwischen meinen Personaldokumenten.
    Da die vermeintlichen Sünden der Väter auch den Kindern angerechnet werden, sollten Dich, glaube ich, Bedenken dieser Art nicht beeinflussen. Wenn also aus dem Inhalt dieses Briefes irgendein Gewinn gezogen werden kann, so bitte ich Dich nur um eines, nämlich, daß vor allem Deine Mutter etwas davon hat; in dem Fall darf sie jedoch niemals erfahren, woher der Wohlstand kommt.
    Ich habe Deine Entwicklung all die

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