Archer Jeffrey
kannte: Hahn war der Eigentümer des Berliner – der Konkurrenzzeitung, die im amerikanischen Sektor herausgegeben wurde. Aber was besaß der Mann sonst noch?
»Ich wollte Sie schon seit langem kennenlernen«, behauptete Armstrong. Hahn blickte erstaunt auf, denn bis zu diesem Augenblick hatte der britische Captain keinerlei Interesse an ihm gezeigt. »Wie hoch ist eigentlich die Auflage des Berliner ?« fragte Armstrong. Er kannte die Zahl sehr genau, wollte den Gesprächsfluß jedoch in Gang halten, um dann die eine Frage zu stellen, auf deren Beantwortung er tatsächlich Wert legte.
»Etwa zweihundertsechzigtausend Exemplare täglich«, erwiderte Hahn. »Und von unserer zweiten Tageszeitung in Frankfurt verkaufen wir gut zweihunderttausend Stück am Tag.«
»Wie viele Zeitungen gehören Ihnen denn?« wollte Armstrong wissen und stocherte mit der Gabel in seinem Essen.
»Nur diese beiden. Vor dem Krieg waren es siebzehn, dazu noch einige wissenschaftliche Fachzeitschriften. Doch ehe nicht sämtliche Beschränkungen aufgehoben sind, kann ich nicht einmal daran denken, weitere Zeitschriften auf den Markt zu bringen.«
»Ich war bisher der Meinung, daß Juden – ich bin selbst Jude, wissen Sie – vor dem Krieg der Besitz von Zeitungsverlagen nicht gestattet war.«
»Das stimmt, Captain Armstrong. Aber ich habe meine sämtlichen Firmenanteile an meinen arischen Geschäftspartner veräußert, der sie mir bereits wenige Tage nach Kriegsende zum gleichen Preis zurückverkaufte.«
»Und die Zeitschriften?« Armstrong kaute auf der Kaninchenpastete. »Könnten sie in diesen schweren Zeiten überhaupt Gewinn abwerfen?«
»O ja. Auf Dauer könnten die Zeitschriften sich sogar als zuverlässigere Einnahmequelle erweisen als die Tageszeitungen. Vor dem Krieg hat mein Verlag den Hauptteil der wissenschaftlichen Publikationen Deutschlands herausgegeben. Doch von dem Tag an, als Hitler in Polen einmarschierte, wurde uns untersagt, auch nur eine dieser Zeitschriften zu veröffentlichen, da sie sich angeblich für die Feinde des Dritten Reiches als nützlich erweisen könnten. Zur Zeit sitze ich auf acht Jahrgängen unveröffentlichter Forschungsarbeiten und einer Vielzahl wissenschaftlicher Schriften, die während des Krieges verfaßt wurden. Ein solches Material könnte sehr viel Geld einbringen, sofern die Absatzmöglichkeiten gewährleistet sind.«
»Was hindert Sie daran, diese Schriften jetzt zu veröffentlichen, wo der Krieg zu Ende ist?« fragte Armstrong.
»Mein Londoner Verlagspartner, mit dem ich eine Abmachung hatte, will sich aus dem Geschäft zurückziehen.«
Die nackte Glühbirne, die von der Decke hing, erlosch plötzlich, und ein kleiner Kuchen, mit einer einzelnen brennenden Kerze in der Mitte, wurde auf den Tisch gestellt.
»Aber wieso?« Armstrong war entschlossen, eine vorzeitige Beendigung des Gesprächs zu unterbinden. Derweil pustete Arno Schultz unter dem Beifall der Gäste die Kerze aus.
»Weil der einzige Sohn des leitenden Direktors bei Dünkirchen gefallen ist«, entgegnete Hahn, während das größte Stück Kuchen auf Armstrongs Teller bugsiert wurde. »Ich habe ihm mehrmals geschrieben und ihm kondoliert, aber er antwortet nicht.«
»Es gibt noch andere Verlage in England.« Armstrong stopfte sich ein Stück Kuchen in den Mund.
»Gewiß, aber es wäre ein Vertragsbruch, würde ich mich jetzt sofort an einen anderen Verlag wenden. Ich muß allerdings nur noch wenige Monate warten, dann steht mir diese Möglichkeit frei. Ich habe bereits darüber nachgedacht, welcher andere Londoner Verlag meine Interessen am besten vertreten könnte.«
»Tatsächlich?« Armstrong wischte sich die Kuchenkrümel aus den Mundwinkeln.
»Falls Sie sich einmal die Zeit dafür nehmen könnten, Captain Armstrong«, sagte der deutsche Verleger, »wäre es mir eine Ehre, Ihnen mein Verlagsunternehmen zu zeigen.«
»Zur Zeit stehe ich ziemlich unter Termindruck.«
»Ja, natürlich, ich verstehe«, versicherte ihm Hahn.
»Aber vielleicht könnte ich mal kurz vorbeischauen, wenn ich das nächste Mal im amerikanischen Sektor bin.«
»Ja, bitte, tun Sie das.«
Armstrong bedankte sich bei seinem Gastgeber für den schönen Abend, wobei er es so einrichtete, daß er sich zur gleichen Zeit verabschiedete wie Julius Hahn.
»Ich würde mich freuen, wenn wir uns bald einmal wiedersehen«, sagte Hahn, als sie auf den Bürgersteig hinaustraten.
»Das werden wir bestimmt«, versicherte Armstrong und gab Arnold Schultz’ engstem
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