Archer Jeffrey
nichts weiter seien als Buden, die nicht abgebaut würden und Fenster an den Vorderseiten besäßen, und daß er – die Nase an die Glasscheibe gedrückt – gesehen habe, daß fast alle Kunden mit Papierscheinen bezahlten und gar nicht erst versuchten, mit den Ladenbesitzern zu feilschen.
Am nächsten Tag kehrte Lubji zur Schulstraße zurück. Er nahm sein Stück Papier aus der Tasche und betrachtete es eine Zeitlang. Er wußte immer noch nicht, was er im Tausch dafür bekam. Nachdem er ungefähr eine Stunde durchs Schaufenster der Bäckerei gestarrt hatte, marschierte er voller Selbstvertrauen in das Geschäft und reichte dem Mann hinter dem Ladentisch den Schein. Der Bäcker nahm ihn und zuckte die Schultern. Hoffnungsvoll zeigte Lubji auf einen Laib Brot im Regal hinter ihm, und der Ladenbesitzer reichte ihn dem Jungen. Zufrieden mit diesem Tausch, wandte Lubji sich zum Gehen, doch der Bäcker rief ihm nach: »Vergiß dein Wechselgeld nicht!«
Unsicher, was der Mann damit meinte, drehte Lubji sich um und beobachtete, wie der Bäcker den Schein in eine Metallschachtel legte, ein paar Münzen herausnahm und sie über den Ladentisch hinweg dem Jungen reichte.
Als er wieder auf der Straße war, betrachtete der Sechsjährige die Münzen mit großem Interesse. Auf einer Seite waren Zahlen eingeprägt, auf der anderen Seite der Kopf eines Mannes, den Lubji nicht kannte.
Durch diesen Handel ermutigt, betrat der Junge den Laden des Töpfers und erstand im Tausch gegen die Hälfte seiner Münzen eine Schüssel, von der er hoffte, daß seine Mutter sie brauchen konnte.
Als nächstes blieb er vor Herrn Lekskis Laden stehen, dem Juweliergeschäft, wo sein Blick sich sofort auf die wunderschöne Brosche richtete, die in der Mitte des Schaufensters lag. Lubji schob die Tür auf und marschierte zum Ladentisch, hinter dem ein alter Mann in Anzug und Krawatte stand.
»Was kann ich für dich tun, kleiner Mann?« fragte Herr Lekski und beugte sich über den Tresen, um zu seinem Kunden hinunterzublicken.
»Ich möchte die Brosche für meine Mutter kaufen.« Lubji deutete zum Schaufenster und hoffte, daß seine Stimme selbstsicher genug klang. Dann öffnete er die Faust, um Herrn Lekski die drei kleinen Münzen zu zeigen, die ihm nach seinen morgendlichen Geschäften noch geblieben waren.
Der alte Mann lachte nicht; statt dessen erklärte er Lubji freundlich, daß er sehr viel mehr Münzen brauchte, ehe er darauf hoffen könne, die Brosche zu erstehen. Lubjis Kopf lief rot an. Er schloß die Faust wieder um die Münzen und wandte sich rasch zum Gehen.
»Aber komm morgen ruhig noch einmal her«, schlug der alte Mann ihm vor. »Vielleicht kann ich doch etwas für dich finden.« Mit hochrotem Gesicht rannte Lubji auf die Straße, ohne sich umzudrehen.
In dieser Nacht fand er keinen Schlaf. Immer wieder sprach er im Geist jene Worte, die Herr Lekski zu ihm gesagt hatte. Am nächsten Morgen stand er wieder vor dem Juwelierladen – lange, ehe der alte Mann erschien und die Ladentür öffnete. An diesem Tag bekam Lubji von Herrn Lekski die erste Lektion. Sie lautete: Leute, die es sich leisten können, Schmuck zu kaufen, stehen nicht schon vor dem ersten Hahnenschrei auf.
Herr Lekski, ein Stadtältester, war von dem chuzpe des Sechsjährigen sehr beeindruckt gewesen. Immerhin hatte der kleine Kerl den Mut aufgebracht, mit einer Handvoll nahezu wertloser Münzen sein Geschäft zu betreten. Im Laufe der nächsten Wochen ermutigte Herr Lekski den Sohn des Viehhändlers, indem er dessen unaufhörlichen Strom von Fragen beantwortete. Es dauerte nicht lange, und Lubji kam jeden Nachmittag auf ein paar Minuten ins Juweliergeschäft. Wenn der alte Mann jemanden bediente, wartete Lubji jedesmal vor dem Laden. Sobald der Kunde gegangen war, stürmte Lubji durch die Tür und rasselte die Fragen herunter, die er sich in der vergangenen Nacht überlegt hatte.
Herr Lekski stellte zufrieden fest, daß Lubji niemals die gleiche Frage ein zweites Mal stellte, und daß er sich jedesmal, wenn ein Kunde den Laden betrat, rasch in die Ecke zurückzog und sich hinter der Tageszeitung des alten Mannes versteckte. Obwohl Lubji die Seiten umblätterte, konnte Herr Lekski nie sicher sein, ob der Junge die Worte las oder nur die Bilder betrachtete.
Eines Abends, nachdem Herr Lekski den Laden geschlossen hatte, nahm er den Jungen mit hinter das Geschäft, um ihm sein Auto zu zeigen. Lubji riß die Augen weit auf, als er erfuhr, daß dieses wundersame
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