Archer Jeffrey
konnte.
An diesem Nachmittag schloß Lubji kein Geschäft mehr ab; deshalb packte er seine Pappschachtel schon früh zusammen und ging zur Ortsmitte, mit sich und seinem Tagewerk zufrieden. In der Schulstraße kaufte er für zwölf Kronen einen nagelneuen Eimer, für fünf ein Hühnchen und für eine Krone einen Laib frisches Brot.
Der junge Händler pfiff vergnügt vor sich hin, während er die Hauptstraße entlangspazierte. Als er an Herrn Lekskis Geschäft vorbeikam, schaute er in die Auslage, um sich zu vergewissern, daß die wunderschöne Brosche noch da war, die er seiner Mutter zu Rosh Ha Shannah kaufen wollte.
Fassungslos ließ Lubji den neuen Eimer fallen. Seine Augen wurden immer größer. Nicht mehr die Brosche war Mittelpunkt der Auslage, sondern eine alte Münze mit einem Etikett darunter. Es besagte, daß sie 1829, während der Regierungszeit des Zaren Nikolaus I. – dessen Bild auf der Münze prangte – geprägt und in Umlauf gebracht worden war. Lubji blickte auf das Kärtchen mit dem Preis:
Eintausendfünfhundert Kronen.
MELBOURNE COURIER 25. Oktober 1929
Krise an der Wall Street: Der große Börsenkrach
Als Australier der zweiten Generation geboren zu sein hat viele Vorteile und einige Nachteile. Es dauerte nicht lange, bis Keith Townsend einige der Nachteile erkannte.
Keith hatte am 9. Februar 1928 um 14 Uhr 37 in einem großen Herrenhaus im Kolonialstil das Licht der Welt erblickt. Der erste Anruf, den seine Mutter noch aus dem Wochenbett tätigte, galt dem Direktor von St. Andrews, einem humanistischen Gymnasium; Lady Townsend erklärte dem Direktor, daß sie ihren Sohn für das Schuljahr 1941 in St. Andrews anmelden wollte. Der erste Anruf seines Vaters, den dieser von seinem Büro aus tätigte, galt dem Vereinsdirektor des Cricketclubs von Melbourne, um Keith als neues Mitglied eintragen zu lassen; denn um in diesen exklusiven Club aufgenommen zu werden, mußte man eine Wartezeit von fünfzehn Jahren in Kauf nehmen.
Keith’ Vater, Sir Graham Townsend, stammte ursprünglich aus Dundee in Schottland, doch um die Jahrhundertwende waren seine Eltern mit ihrem Sprößling auf einem Viehdampfer nach Australien ausgewandert. Wenngleich Sir Graham der Besitzer des Melbourne Courier und der Adelaide Gazette war und obwohl der König ihn im vergangenen Jahr in den Adelsstand erhoben hatte, wurde er von der Melbourner Gesellschaft ignoriert; einige Familien waren fast schon ein Jahrhundert im Lande und wurden es nie leid, Leute wie die Townsends mit der Nase darauf zu stoßen, daß sie weder als arme Einwanderer ins Land gekommen waren, noch von Strafgefangenen abstammten. Dabei schauten sie Sir Graham stets von der Seite an und tuschelten hinter seinem Rücken.
Doch Sir Graham scherte sich nicht um die Meinung dieser Herrschaften – und falls doch, ließ er es sich niemals anmerken. Am liebsten verkehrte er mit Leuten, die bei der Zeitung arbeiteten, und wer zu Sir Grahams Freunden zählte, verbrachte wie er selbst mindestens einen Nachmittag in der Woche auf der Rennbahn. Ob dabei Pferde oder Windhunde um die Wette liefen, war Sir Graham egal.
Keith’ Mutter hingegen konnte von der Melbourner Gesellschaft nicht so leicht brüskiert werden. Sie stammte in direkter Linie von einem hohen Marineoffizier der Ersten Flotte ab. Wäre sie eine Generation später geboren, hätte vielleicht sie und nicht ihr Sohn im Mittelpunkt dieser Geschichte gestanden.
Da Keith der einzige Sohn war – er war der mittlere von drei Geschwistern –, betrachtete Sir Graham es von der Geburt des Jungen an als gegeben, daß dieser ihm später ins Zeitungsgeschäft folgen würde, und entsprechend wurde Keith erzogen. Mit drei Jahren besuchte er zum erstenmal den Verlag seines berühmten Vaters und wurde sofort süchtig nach dem Tintengeruch, dem Klappern der Schreibmaschinen und dem Rattern der Druckerpressen. Von diesem Augenblick an begleitete er seinen Vater in die faszinierende Welt des Melbourne Courier, wann immer er die Gelegenheit bekam.
Sir Graham förderte die Interessen seines Sohnes. Er nahm ihn sogar fast jedesmal mit zur Rennbahn, wenn er an den Samstagnachmittagen dorthin verschwand – sehr zum Unwillen Lady Townsends, die darauf bestand, daß Keith am nächsten Tag die Morgenmesse besuchte. Doch zu ihrer Enttäuschung zeigte ihr Sohn schon bald mehr Interesse an den Buchmachern als an den Geistlichen.
Um diesem frühen sittlichen Verfall Einhalt zu gebieten, entwickelte Lady Townsend eine solche
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