Archer Jeffrey
wurde. Doch zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, wie weit Keith gehen würde, um sich den Posten zu sichern.
Kurz bevor die Wahl stattfinden sollte, besprach Keith das Problem mit seinem Vater, während sie einen Spaziergang über den Landsitz der Familie machten.
»Wähler ändern ihre Absicht oft im letzten Augenblick«, sagte Sir Graham, »und die meisten lassen sich bestechen oder einschüchtern. Ich jedenfalls habe diese Erfahrung gemacht, sowohl in der Politik wie im Geschäftsleben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es bei der sechsten Klasse von St. Andrews anders ist.« Sir Graham blieb stehen, als sie zur Hügelkuppe gelangten, von der aus man über ihr Anwesen hinwegschauen konnte. »Und vergiß nicht«, fuhr er fort, »daß du einen Vorteil hast, den die meisten Kandidaten bei anderen Wahlen nicht haben.«
»Was für einen Vorteil?« erkundigte sich der Siebzehnjährige, als sie auf dem Rückweg zum Haus den Hügelhang hinunterschlenderten.
»Bei so wenigen Wählern kennst du jeden einzelnen persönlich.«
»Das könnte ein Vorteil sein, wenn ich beliebter wäre als Tomkins«, entgegnete Keith. »Bin ich aber nicht.«
»Nur wenige Politiker verlassen sich ausschließlich auf ihre Beliebtheit, wenn sie gewählt werden wollen«, versicherte ihm sein Vater. »Würden sie das tun, wäre mindestens die Hälfte der führenden Politiker dieser Welt nicht im Amt. Das beste Beispiel dafür ist Churchill.«
Auf dem Rückweg zum Haus hörte Keith seinem Vater aufmerksam zu.
Als Keith nach St. Andrews zurückkehrte, blieben ihm nur zehn Tage, die Ratschläge seines Vaters zu befolgen; dann war bereits der Wahltermin. Keith bediente sich jedes vertretbaren Mittels, die Wähler für sich zu gewinnen: mit Eintrittskarten für das Fußballstadion, mit Bier, mit den verbotenen Zigaretten. Einem Wähler versprach er sogar eine Verabredung mit seiner älteren Schwester. Doch wann immer er auszurechnen versuchte, wie viele Stimmen er sich verschafft hatte – nie war er sicher, die Mehrheit für sich zu gewinnen. Es gab nun einmal keine Möglichkeit, mit Sicherheit vorherzusagen, wie jemand bei einer geheimen Wahl abstimmte. Und es war auch keine Hilfe für Keith, daß der Direktor keinen Hehl daraus machte, wen er lieber auf dem Redakteursposten sah.
Achtundvierzig Stunden vor der Stimmabgabe ließ Keith sich die zweite von seinem Vater empfohlene Taktik durch den Kopf gehen – die Einschüchterung. Doch solange er des Nachts wachlag und darüber nachgrübelte, ihm fiel nichts Brauchbares ein.
Am Nachmittag des nächsten Tages besuchte ihn Duncan Alexander, der neu ernannte Schulsprecher. »Ich brauche zwei Karten für das Spiel Victoria gegen South Australia im MCGStadion.«
Keith blickte von seinem Schreibtisch auf. »Und was bekomme ich dafür?«
»Meine Stimme«, erwiderte der Schulsprecher. »Ganz zu schweigen von meinem Einfluß auf andere Wähler.«
»Bei einer geheimen Wahl?« entgegnete Keith. »Das soll wohl ein Witz sein.«
»Willst du damit andeuten, daß mein Wort dir nicht genügt?«
»Da liegst du gar nicht so verkehrt.«
»Und was würdest du davon halten, wenn ich dir ein paar pikante Einzelheiten über Cyril Tomkins erzähle, die du nach Belieben verwenden kannst?«
»Hängt davon ab, ob diese pikanten Einzelheiten genug Gewicht haben.«
»Auf jeden Fall haben sie soviel Gewicht, daß er seine Kandidatur zurückziehen müßte.«
»Wenn das wirklich stimmt, bekommst du zwei Plätze auf der Ehrentribüne, und ich werde dich jedem Spieler der Mannschaft vorstellen, den du persönlich kennenlernen möchtest. Aber bevor ich mich von den Karten trenne, muß ich natürlich wissen, was du mir über Tomkins zu berichten hast.«
»Erst will ich die Karten sehen«, verlangte Alexander.
»Willst du damit sagen, daß mein Wort dir nicht genügt?« Keith grinste.
»Da liegst du gar nicht so verkehrt.« Jetzt grinste auch Alexander.
Keith zog die oberste Lade seines Schreibtisches auf und holte eine kleine Metallschatulle heraus. Dann steckte er den kleinsten der Schlüssel, die an seiner Kette befestigt waren, ins Schloß, drehte ihn, klappte den Deckel hoch und kramte in der Schatulle, bis er zwei lange, schmale Karten zum Vorschein brachte.
Er hielt sie so, daß Alexander sie genau betrachten konnte.
Nachdem sich ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht des Schulsprechers ausgebreitet hatte, fragte Keith: »Also, was weißt du über Tomkins? Was könnte ihn zwingen, seine Kandidatur aufzugeben?«
»Er
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