Archer Jeffrey
auf dem Boden, und die einzigen Möbel waren ein schmales Bett, eine wacklige Kommode und ein Tischchen. Traurig blickte die alte Frau auf das leere Bett; dann deutete sie darauf und verließ die Kammer ohne ein weiteres Wort.
In den nächsten zwei Wochen verdoppelte sich der Umsatz des kleinen Kiosks beinahe, so viele Einwanderer aus so vielen Ländern kamen, um sich mit dem jungen Mann – der anscheinend jede Zeitung gelesen hatte – darüber zu unterhalten, was in ihrer Heimat vor sich ging. Am Monatsletzten händigte Herr Cerani Lubji seine erste Lohntüte aus. Und beim Abendessen an diesem Tag ließ er den jungen Mann wissen, daß er ihn ab Montag in sein Geschäft mitnehmen wolle, damit er mehr über die Zeitungsbranche lerne. Frau Cerani war sehr enttäuscht, obwohl ihr Mann ihr versicherte, daß er ihr Lubji nur für eine Woche entführen wollte.
Im Laden merkte der Junge sich rasch die Namen der Stammkunden und welche Zeitungen und Zeitschriften sie kauften und ihre Zigaretten-Lieblingsmarken. Während der zweiten Woche fiel Lubji ein gewisser Herr Farkas auf, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite ebenfalls ein Zeitungsgeschäft führte. Doch da weder Herr noch Frau Cerani ihn namentlich erwähnten, brachte Lubji es nicht zur Sprache. Am Sonntagabend erklärte Herr Cerani seiner Frau, daß er Lubji ganz bei sich im Laden behalten würde. Es schien sie nicht zu überraschen.
Jeden Morgen stand Lubji um vier Uhr auf, um den Laden zu öffnen. Es dauerte nicht lange, bis er bereits den Kiosk belieferte und die ersten Kunden bediente, noch ehe das Ehepaar Cerani zu Ende gefrühstückt hatte. Im Laufe der nächsten Wochen kam Herr Cerani fast jeden Tag ein bißchen später ins Geschäft, und wenn er am Abend abgerechnet hatte, drückte er Lubji oft die eine oder andere Münze in die Hand.
Lubji stapelte die Münzen auf dem Tischchen neben seinem Bett. Jedesmal, wenn er zehn beisammen hatte, wechselte er sie gegen einen grünen Schein. In den Nächten lag er manchmal wach und malte sich aus, daß er Laden und Kiosk übernehmen würde, wenn Herr und Frau Cerani in den Ruhestand gingen. Seit kurzem behandelten sie ihn, als wäre er ihr Sohn: Sie machten ihm kleine Geschenke, und Frau Cerani umarmte ihn sogar, bevor er zu Bett ging, was Lubji schmerzlich an seine Mutter erinnerte.
In Lubji keimte die Hoffnung auf, daß sein Wunsch in Erfüllung ging, als Herr Cerani sich zuerst einen Tag, später ein ganzes Wochenende frei nahm und bei seiner Rückkehr erfreut feststellte, daß der Umsatz schon wieder gestiegen war.
An einem Samstagmorgen hatte Lubji auf dem Rückweg von der Synagoge das Gefühl, daß ihm jemand folgte. Er blieb stehen, drehte sich um und sah Herrn Farkas, die Konkurrenz von der anderen Straßenseite. Abwartend verharrte der Mann nur ein paar Schritte hinter Lubji.
»Guten Morgen, Herr Farkas.« Lubji lüpfte den breitkrempigen schwarzen Hut.
»Guten Morgen, Herr Hoch.« Bis zu diesem Moment hatte Lubji noch nie als »Herr Hoch« von sich gedacht. Aber er hatte ja schließlich erst vor kurzem seinen siebzehnten Geburtstag gefeiert, und in diesem Alter pflegte man noch nicht so angesprochen zu werden.
»Möchten Sie mit mir reden?« fragte er.
»Ja, Herr Hoch.« Herr Farkas kam die paar Schritte heran und verlagerte sein Körpergewicht nervös von einem Fuß auf den anderen. Lubji erinnerte sich an Herrn Lekskis Rat: »Du darfst nie etwas sagen, wenn ein Kunde einen nervösen Eindruck macht.«
»Ich würde Ihnen gern eine Stellung in einem meiner Geschäfte anbieten.« Jetzt blickte Herr Farkas zu ihm auf.
Zum erstenmal wurde Lubji klar, daß Herr Farkas mehr als nur einen Laden hatte. »Als was?« erkundigte er sich.
»Als stellvertretender Geschäftsführer.«
»Und mein Gehalt?« Als Lubji den Betrag gehört hatte, schwieg er, obwohl hundert Pengö die Woche fast doppelt soviel war, wie Herr Cerani ihm bezahlte.
»Und wo soll ich wohnen?«
»Über dem Laden ist ein Zimmer«, antwortete Herr Farkas. »Ich glaube, es ist viel größer als die Dachkammer, die Ihnen die Ceranis zur Verfügung gestellt haben.«
Lubji blickte zu ihm hinunter. »Ich werde mir Ihr Angebot durch den Kopf gehen lassen, Herr Farkas.« Und wieder lüpfte er den Hut. Als er zum Haus der Ceranis gelangte, hatte er beschlossen, Herrn Cerani von diesem Gespräch zu erzählen, ehe es jemand anderes tat.
Der alte Mann zupfte an seinem dichten Schnurrbart und seufzte, als Lubji zum Ende kam. Doch er sagte nichts.
»Ich habe
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