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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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der inzwischen rostigen Mundharmonika.
    Erst in der fünften Woche kam der Befehl, sich wieder zu einer Ansprache zu sammeln. Der Colonel mit dem Monokel saß wieder auf seiner reglosen rabenschwarzen Stute und gab ihnen neue Befehle. Die Royal Fusiliers sollten am kommenden Morgen zu den deutschen Linien vorrücken, und zwar war es ihre Aufgabe, an der nördlichen Flanke durchzubrechen. Die Irish Guards würden sie von der rechten
    Flanke unterstützen und die Welsh Guards von der linken. »Morgen wird ein Tag des Ruhmes für die Füsiliere sein«,
versicherte ihnen Colonel Hamilton. Und jetzt sollten sie sich
ausruhen, da die Schlacht mit dem ersten Morgenlicht
beginnen würde.
Auf dem Rückweg zu den Schützengräben staunte Charlie,
wie die Aussicht, endlich an einem richtigen Kampf
teilnehmen zu können, die Stimmung der Männer gehoben
hatte. Jedes Gewehr wurde auseinandergenommen, gereinigt,
geölt, wieder und wieder überprüft, jede Patrone wurde
sorgfältig ins Magazin gelegt, jedes Maschinengewehr wurde
ausprobiert, geölt, nochmals ausprobiert, und dann rasierten
sich die Männer, ehe sie dem Feind entgegenrückten. Auch
Charlie machte seine erste Erfahrung mit einem Rasierapparat;
draußen war es so kalt, daß das Rasierwasser mit einer
Eisschicht überzogen war.
Charlie hatte gehört, daß es in der Nacht vor einer Schlacht
keinem leichtfiel zu schlafen und daß viele die Zeit nutzten,
lange Briefe nach Hause zu schreiben; manche machten sogar
ihr Testament. Charlie schrieb an Becky – warum, wußte er
selber nicht so recht – und bat sie, sich um Sal, Grace und Kitty
zu kümmern, falls er nicht zurückkam. Tommy schrieb
niemandem, aber nicht etwa, weil er nicht schreiben konnte.
Um Mitternacht sammelte Charlie die Briefe seiner Leute ein
und händigte sie gebündelt dem Ordonnanzoffizier aus. Bajonette wurden sorgsam geschliffen und aufgesetzt. Die
Minuten schienen dahinzukriechcn, während die Männer mit
klopfendem Herzen auf den Befehl zum Vorrücken warteten.
Charlies Gefühle schwankten zwischen Angst und
Begeisterung, während Captain Trentham von einem Zug zum
nächsten schritt, um die letzten Anweisungen zu erteilen. In
einem Schluck goß Charlie die winzige Rumration in sich
hinein, die alle Soldaten in den Schützengräben kurz vor einer
Schlacht zugeteilt bekamen.
Ein Lieutenant Makepeacc nahm seinen Platz hinter
Charlies Graben ein. Charlie hatte ihn noch nie zuvor gesehen.
Er sah aus wie ein Schuljunge und machte sich mit Charlie so
lässig bekannt, wie man es vielleicht auf einer Cocktailparty
getan hätte. Er bat Charlie, seine Abteilung ein paar Meter
hinter der Linie zu sammeln, damit er zu ihnen reden könne.
Zehn durchfrorene, verängstigte Männer kletterten aus ihrem
Graben und hörten dem jungen Leutnant stumm zu. Der Tag
war ausgewählt worden, weil die Meteorologen vorhergesagt
hatten, daß die Sonne um fünf Uhr dreiundfünfzig aufgehen
und daß es nicht regnen würde.
Mit der Sonne sollten die Meteorologen zwar recht behalten,
aber schon um zehn nach vier fing es an zu nieseln. »Ein
deutscher Regen«, sagte Charlie zu seinen Kameraden. »Auf
welcher Seite ist Gott eigentlich?«
Lieutenant Makepeace lächelte dünn. Jetzt mußten sie nur
noch warten, bis das Leuchtsignal gegeben wurde, dann konnte
die Schlacht offiziell beginnen.
»Und vergeßt nicht, ›bangers and mash‹ ist die Parole«,
sagte Lieutenant Makepeace. »Gebt es weiter.«
Um fünf Uhr dreiundfünfzig lugte die Sonne blutrot über
den Horizont. Eine Leuchtpistole wurde abgefeuert und
beleuchtete für einen kurzen Moment den Himmel.
Lieutenant Makepeace sprang aus dem Graben und rief:
»Mir nach, Männer!«
Charlie kletterte hinter ihm hinaus, stieß ein Schlachtgebrüll
aus – doch mehr, um sich Mut zu machen, denn aus
Begeisterung – und stürmte auf den Stacheldraht zu. Der Leutnant kam keine fünfzehn Meter weit, bevor ihn die
erste Kugel traf, trotzdem gelang es ihm, bis zum Drahtverhau
vorzudringen. Charlie beobachtete voll Entsetzen, wie
Makepeace über den Stacheldraht fiel und von einer
feindlichen Geschoßgarbe durchlöchert wurde. Zwei mutige
Männer änderten die Richtung, um ihm zu Hilfe zu kommen, doch sie erreichten nicht einmal den Stacheldraht. Charlie war nur einen Meter hinter ihnen und wollte sich gerade durch eine Bresche in der Barriere stürzen, als ihn Tommy überholte. Charlie wandte sich um, lächelte, und das war der letzte Augenblick der Schlacht an der Lys, an den er sich

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