Archer Jeffrey
marschieren und zu ihrem Regiment stoßen, das unter dem Befehl von Colonel Sir Danvers Hamilton einen Großangriff auf die deutschen Stellungen vorbereitete.
Den Rest des Morgens verbrachten sie damit, ihre Ausrüstung zu überprüfen, dann ging’s an Bord. Captain Trentham scheuchte seine Männer die Gangway hinauf aufs offene Deck.
Nachdem das Nebelhorn sechsmal getutet hatte, legte das Schiff von Dover ab, und tausend Mann, die dichtgedrängt auf Deck der HMS Resolution standen, sangen It’s a Long Way to Tipperary, il ‘s a Long Way to Go.
»Warst du schon mal im Ausland, Corp?« fragte Tommy. »Nein, außer du zählst Schottland dazu«, antwortete Charlie. »Ich auch nicht«, gestand Tommy nervös. Nach ein paar
Minuten fügte er hinzu: »‘ast du Angst?«
»Nein, natürlich nicht«, entgegnete Charlie. »Bloß ganz
entsetzlichen Schiß.«
»Ich auch«, gestand Tommy.
»Adieu, Piccadilly, leb wohl, Leicester Square. It’s a long,
long way to …«
4 Schon ein paar Minuten nachdem die englische Küste außer Sicht war, wurde Charlie seekrank.
»Ich war noch nie zuvor auf einem Schiff«, erklärte er Tommy, »nur mal auf dem Schaufelraddampfer von Brighton.«
Doch Charlie befand sich in bester Gesellschaft. Über die Hälfte der Männer verbrachten die Überfahrt offenbar damit, ihr kärgliches Frühstück dem Meer zu opfern.
»Ich seh’ keinen einzigen Offizier kotzen«, stellte Tommy fest.
»Vielleicht sind sie die Seefahrt gewöhnt.«
»Oder sie kotzen in ihren Kabinen.«
Als die französische Küste endlich zu sehen war, jubelten die Soldaten an Deck; sie hatten inzwischen alle keinen anderen Wunsch mehr, als den Fuß auf trockenes Land zu setzen. Und trocken wäre es auch gewesen, wenn die Schleusen des Himmels sich nicht just in dem Moment geöffnet hätten, als das Schiff anlegte und die Truppe französischen Boden betrat. Nachdem alle von Bord waren, erklärte ihnen der Sergeant-Major, daß sie einen Marsch von vierundzwanzig Kilometern vor sich hatten.
Charlie ließ seine Abteilung mit Gesang durch den Schlamm der aufgeweichten Straße marschieren, und Tommy begleitete die Gassenhauer und frechen Lieder aus den Revuetheatern auf seiner Mundharmonika. Als sie Etaples erreicht und ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, fand Charlie, daß sogar die alte Turnhalle in Edinburgh im Vergleich luxuriös gewesen war.
Nachdem der Zapfenstreich geblasen war, schlossen sich tausend Augenpaare, als tausend Soldaten zum erstenmal unter Zeltleinwand zu schlafen versuchten. Jeder Zug hatte zwei Mann als Wachen abgestellt, die alle zwei Stunden abgelöst werden sollten, damit keiner ohne Schlaf blieb. Charlie zog die Vieruhrwache mit Tommy.
Nach einer ziemlich unruhigen Nacht mit viel Herumgewälzte auf dem holprigen, nassen Erdboden Frankreichs wurde Charlie um vier geweckt, woraufhin er Tommy anstieß, der sich einfach umdrehte und weiterschlief. Minuten später war Charlie vor dem Zelt, knöpfte sich die Jacke zu und schlug eine Weile die Arme um seinen Körper, um sich warm zu halten. Als sich seine Augen allmählich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, gewahrte er Reihe um Reihe von braunen Zelten, so weit sein Blick reichte.
»Morgen, Corp«, sagte Tommy, als er zwanzig nach vier endlich neben ihm auftauchte, »‘ast du vielleicht ‘n Zünd’olz?«
»Nein. Und ich brauch’ auch kein Zünd’olz, sondern ‘eißen Kakao oder sonstwas ‘eißes.«
»Zu Befehl, Corp.«
Tommy verschwand in Richtung Küchenzelt. Eine halbe Stunde später kehrte er mit zwei Bechern heißem Kakao und zwei Stück Brot zurück.
»Leider kein Zucker. Den gibt’s nur für Sergeanten und höhere Tiere«, erklärte Tommy. »Ich ‘ab ihnen gesagt, daß du ein General in Tarnung bist, aber sie ‘aben gesagt, daß alle Generale tief und fest in London in ihren Betten schlafen.«
Charlie lächelte und legte die eiskalten Finger um den Becher und trank ganz langsam in winzigen Schlucken, um diesen Genuß zu verlängern.
Tommy spähte zum Horizont. »Also, wo sind die verfluchten Deutschen, von denen soviel geredet wird?«
»Weiß der ‘immel.« Charlie zuckte die Schultern. »Aber du kannst Gift drauf nehmen, daß sie da draußen irgendwo sind. Und wahrscheinlich fragen sie sich, wo wir sind.«
Um sechs Uhr weckte Charlie den Rest seiner Abteilung und sorgte dafür, daß die Männer bis halb sieben die Zelte abgebaut und vorschriftsmäßig zusammengelegt hatten und fertig zum Appell waren.
Eine Trompete rief zum Frühstück, und die
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