Arena der Schlangen
Durchlässe zu den einzelnen Räumen waren offen. Das Haus war mit orientalischer Pracht eingerichtet. Schwere Sessel und Polstermöbel mit Brokatstoff überzogen stachen der Französin ins Auge. Die Wände waren mit Seidentapeten bespannt, und eine kunstvoll gedrechselte Holztreppe führte in die obere Etage.
»Nimm Platz!«, sagte Mascara Snake und deutete auf einen Sessel.
Telronja ließ sich vorsichtig darauf nieder.
Mascara setzte sich ihr gegenüber. Sie öffnete die vollen Lippen, und plötzlich schoß eine gespaltene Zunge zwischen ihnen hervor.
Telronja erschrak.
Mascara lachte. Die Luft um sie herum begann zu flimmern, und dann war sie verschwunden.
Nun begriff Telronja gar nichts mehr. Sie sah weder Mascara noch die Schlangen, aber sie hörte das Zischen, deutlich, dicht neben ihrem Ohr, und sie spürte plötzlich auch die Berührungen der Schlangen wieder.
Dann saß Mascara Snake auf einmal wieder vor ihr. Sie lachte. Dabei schillerten ihre etwas schrägstehenden Augen in allen Farben. Telronja bemerkte das raffinierte Augen-Make-up, das Mascara trug. Es schimmerte violett und bestand aus kleinen gekräuselten Linien, die an Schlangen erinnerten. Die Linien liefen in einem Punkt zusammen und verschmolzen dort miteinander.
Mascara Snake war eine faszinierende Frau, das mußte selbst Telronja zugeben. Sie hatte eine prächtige Figur mit prallen Brüsten und einer schmalen Taille und trug ein enganliegendes Schlangenkostüm. Die schwarze Haarfülle fiel bis auf die Schultern. Wenn sie einatmete, vibrierten ihre Nasenflügel. Betont waren die Augen mit dem raffinierten Make-up. Es mußte irgendeine Bedeutung haben, daß sich Mascara ihre Augen so schminkte; die Französin traute sich jedoch nicht, danach zu fragen. »Lange genug habe ich auf dich gewartet«, sagte Mascara spöttisch.
Telronja schüttelte den Kopf. »Aber was wollen Sie denn von mir? Ich habe Ihnen doch nichts getan!«
»Nein.« Mascara lachte, aber ihr Lachen klang haßerfüllt. »Du hast mir nichts getan. Aber dein Mann.«
»Kann man denn nicht mal vergessen?«, rief Telronja.
»Vergessen? Bist du verrückt? Kennst du die Geschichte unserer beiden Stämme?«
»Ein wenig«, gab die Französin kleinlaut zu.
»Dann will ich dich aufklären«, sagte Mascara. Sie ließ sich auf einen Diwan fallen, streckte die langen Beine aus und begann zu erzählen. »Wie du vielleicht weißt, gehöre ich zu dem großen Stamm der Ait Hadiddou. Dieser wiederum gehört zur Berbergruppe der Beraber. Und die Ait Hadiddou unterteilen sich wieder in verschiedene kleine Gruppen. Ich stamme aus der Gruppe der Ait Baraka und bin die Tochter des Stammesoberhauptes. Aber unser Stamm ist in alle Winde verstreut. Mein Vater ist tot, und ich habe nur noch etwa dreißig Getreue bei mir. Wir sind immer von den anderen Gruppen schief angesehen worden. Man wollte mit uns nichts zu tun haben, weil wir uns mit Magie beschäftigten. Aber wir wollten die Herrschaft. Nun sollte ich im Alter von vierzehn Jahren einen der drei Söhne des Stammesoberhaupts vom Stamm der Ait Yazza heiraten. Es wurde sogar ein Fest gegeben. Danach lebte keiner mehr von den drei Bewerbern. Sie sind durch Schlangenbisse getötet worden.«
»Dann – dann stecken Sie dahinter!«, sagte Telronja. »Dann sind Sie eine Mörderin!«
»Vielleicht.« Mascara rekelte. sich. »Der Tod der drei Männer war der Auftakt zu einem gnadenlosen Krieg. Der Stammesfürst der Ait Yazza, Ibn Idran, also dein Mann, schwor blutige Rache. Es gab mörderische Kämpfe und wir mußten uns immer mehr in die unwegsamen Berge zurückziehen. Doch ich löste mich von meinem Stamm und unternahm Reisen in die weite Welt. Eines Tages hörte ich, daß dein Mann meinen Vater getötet hat. Von diesem Tag an schwor ich Rache. Und mit meinen Schlangen werde ich in den Jihad ziehen, in den heiligen Krieg gegen die Ait Yazza. Oh, ich habe einen großen Verbündeten, der mir in dem Kampf hilft und dem die Ait Yazza nichts entgegenzusetzen haben. Und dich, dich habe ich auch, Telronja. Du bist mein erstes Faustpfand. Dein Mann wird schäumen, wenn er von der Entführung hört, und er wird nichts Eiligeres zu tun haben, als dich zu befreien. Er wird mir und meinen Schlangen genau in die Falle laufen. Dabei wird er sterben.«
Telronja war bei den Worten der Schlangenfrau immer blasser geworden. Sie konnte sich gut vorstellen, daß diese Mascara Snake ihre Versprechungen wahrmachte, und wie Telronja ihren Mann kannte, würde er auch
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