Aretha Franklin - Queen of Soul
Tragödien hat sie aber auch die Befähigung erlangt, den Blues zu singen.
Aretha hat viel erreicht in ihrem Leben. Ihre ausdrucksstarke, fünf Oktaven umspannende Stimme hat ihr über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten zahlreiche Nummer-eins-Hits eingebracht – von »Respect« aus dem Jahr 1967 bis zu »I Knew You Were Waiting (For Me)« von 1987. Ihre überwältigenden Liveauftritte, die konkurrenzlosen 20 Grammys, die Filme und Videos, in denen sie mitspielte, die ausverkauften Konzerte, die weißen Rolls Royce und pinkfarbenen Cadillacs, die in der Öffentlichkeit breitgetretenen Liebesbeziehungen – all dies sind Bestandteile ihres glamourösen Lebens als Superstar.
Doch es war nicht alles eitel Sonnenschein in ihrem Leben. Familiäre Schicksalsschläge, Bevormundung, Vorurteile, Schwangerschaften im Teenageralter, Gewichtsprobleme und emotionale Traumata führten zu Enttäuschungen, Verzweiflung und Frustration – und zur strengen Abschottung ihres Privatlebens.
In Jerry Wexlers Augen ist Arethas persönliches Schicksal so traurig, dass er sie »die geheimnisvolle Schmerzensdame« nennt. Clyde Otis gibt zu Protokoll, es hätte ihn in den 60ern gewundert, dass sie überhaupt singen konnte, weil sie damals unter Depressionen litt und wirkte, als trüge sie das Elend der ganzen Welt auf ihren Schultern. John Hammond sagte einmal, dass Aretha »schreckliches Pech« mit den Männern in ihrem Leben hatte und unter ihnen leiden musste.
Doch obwohl sie emotionale Narben davontrug, ist Aretha eine Überlebenskünstlerin. Es gelang ihr jedes Mal, den Schmerz ihrer persönlichen Tragödien in kreative Energie umzuwandeln, und es ist ihrer Entschlossenheit zu verdanken, dass sie ein Star wurde und auch blieb. Die Höhen und Tiefen ihres privaten und öffentlichen Lebens haben ihr offensichtlich eine innere Stärke verliehen, die sie durch schwere Zeiten trägt.
Aretha spricht lieber über ihre Musik als über ihr Leben und jeder potenzielle Interviewer erhält eine Liste von Tabuthemen. An diesem Nachmittag in Arethas Haus erfahre ich einiges, was ich noch nicht über sie wusste. Aber einiges, was ich gerne gewusst hätte, bleibt mir aufgrund der »Verbotliste« auch verborgen. So blieben u. a. folgende Fragen, die ich gern gestellt hätte, unbeantwortet:
— Wie fühlte es sich an, in einem großen Haus in der Stadt aufzuwachsen und von Haushälterinnen und Freunden der Familie großgezogen zu werden?
— Wie war es, als Tochter eines berühmten schwarzen Predigers aufzuwachsen?
— Wie genau sah das Verhältnis zu ihrem Vater aus und welche Macht hatte er über sie?
— War Gospelmusik wirklich ihre erste Liebe oder eher ein kreatives Ventil bzw. ein Zufluchtsort?
— Was erlebte die junge Aretha, als sie mit einer Gospel-Roadshow mit dem Bus durchs Land reiste?
— Wer war der Vater von Arethas ersten zwei Kindern?
— Wer war der schwarze Popstar, in den sie sich verliebte, und inwiefern hat er sie inspiriert?
— Wie viel von ihrer Musik nährte sich aus ihrem eigenen tragischen Leben?
— Sang sie den Blues, weil sie ihn lebte?
— In wessen Arme fiel sie, als ihre erste Ehe zerbrach?
— Was bedeuteten das fünfjährige Koma und der anschließende Tod ihres Vaters für sie?
— Warum verlässt sie Detroit fast nie? Zieht sie aus der Stadt ihre Stärke oder versteckt sie sich dort eher wie ein ängstliches Kind?
Ich hatte das Gefühl, einem der großen ungelösten Mysterien des Showgeschäfts gegenüberzustehen. Die Antworten auf diese Fragen bilden Teile des noch unvollständigen Puzzles der persönlichen Geschichte von Aretha Franklin.
KAPITEL ZWEI
GOSPELJAHRE
Aretha Louise Franklin wurde am 25. März 1942 geboren. Sie war das zweitjüngste von insgesamt fünf Kindern der Familie. »Vaughn, der Älteste, machte in der Air Force Karriere«, erzählt Aretha über ihre Geschwister. »Dann kam Erma, dann Cecil – der mein Manager ist –, dann ich und dann Carolyn.«
Das Leben der Geschwister war stark religiös geprägt, denn ihr Vater war ein für seine leidenschaftlichen Predigten bekannter Baptistenpastor und ihre Mutter eine berühmte Gospelsängerin. Aretha erbte den väterlichen Sinn fürs Dramatische und das mütterliche Gesangstalent – ideale Voraussetzungen für den späteren Aufstieg zur Showlegende.
Über den redegewandten Reverend Clarence La Vaughn Franklin ist Folgendes bekannt: Am 22. Januar 1915 in bescheidenen
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